Der Zell-Pförtner funktioniert wie eine Blende
Grafik: Gregor Hagelüken/Uni Bonn
Lebende Zellen befinden sich über Ionenkanäle im Austausch mit ihrer Umgebung. Durch winzige Poren in der Membran, die die Zelle umhüllt, können geladene Teilchen – sogenannte Ionen – hindurchwandern. „Wären diese Kanäle nicht vorhanden, würde zum Beispiel ein Bakterium platzen, wenn man es in reines Wasser gibt“, erläutert Prof. Dr. Olav Schiemann vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. Die Ionen wandern nämlich durch die Kanäle hindurch und gleichen dadurch Ionen- beziehungsweise Druckunterschiede zwischen dem Inneren und Äußeren der Zelle aus. Auch im Menschen sind Ionenkanäle von großer Bedeutung: Wenn diese Türen in der Zellmembran nicht richtig funktionieren, kommt es zum Beispiel zum Bluthochdruck.
Seit langem rätselt die Wissenschaft, wie die Kanäle sich öffnen und schließen. Einem internationalen Team von Wissenschaftlern um Prof. Schiemann von der Universität Bonn und Prof. Dr. James H. Naismith von der University of St. Andrews (Schottland) ist es nun gelungen, die Strukturen des mechanosensitiven Kanals kleiner Leitfähigkeit („Mechanosensitive channel of small conductance“ - MscS) im Darmbakterium Escherichia coli aufzuklären: „Der `Pförtner´ arbeitet wie die Blende in einem Fotoapparat“, berichtet Prof. Dr. James Naismith von der University of St. Andrews.
Wie die Blende in einem Fotoapparat
In der Kamera sind Lamellenbleche kreisförmig so angeordnet, dass sie sich ineinander verschieben lassen und der Lichtdurchlass enger oder weiter wird. In der Membran von E. coli sind die Ionenkanäle ganz ähnlich flexibel verschlossen. Die Pore wird von sieben gleichen Proteinen gebildet, die im Kreis angeordnet sind. Die Wände der Pore werden dabei von sogenannten Transmembranhelices gebildet, von der jede wie ein gewundenes Telefonkabel aussieht und zusammen - wie die Lamellenbleche beim Fotoapparat - das Loch verschließen oder weiten können. Je nach Größe der Pore können die Ionen durch den Kanal hindurchströmen oder nicht und damit wichtige Stoffwechselvorgänge für die lebenden Zellen regulieren.
Um dem Türöffner auf die Schliche zu kommen, markierten die Forscher die Positionen der sieben telefonkabelartigen Strukturen und maßen mit der PELDOR-Methode (Pulsed Electron–Electron Double Resonance) die Abstände zwischen den Markierungen. „Bei PELDOR handelt es sich um ein Lineal, das auf molekularer Ebene funktioniert“, erläutert Prof. Schiemann. „Wir konnten es auf MscS in seiner Membranumgebung anwenden.“ Die Wissenschaftler variierten die Positionen der Marker sehr häufig und wiederholten die Abstandsmessungen, bis sich eine Art Fingerabdruck der Struktur des Ionen-Pförtners im geschlossenen und offenen Zustand abzeichnete.
„Wir haben damit die Struktur der Pforte des Ionenkanals in seiner natürlichen Membranumgebung beschrieben“, sagt Prof. Schiemann. Es handelt sich bei den Aufzeichnungen um einen Schnappschuss, eine Art Standbild, das noch keinen Aufschluss darüber gibt, wie der Verschluss der Pore genau funktioniert. Es ist zum Beispiel noch unklar, wie der Mechanismus aussieht, mit dem ein erhöhter Zellinnendruck in eine Öffnung des Kanals übersetzt wird. Der Nachweis der Struktur dieses Ionenkanals wird es aber nun erlauben, gezielter Medikamente gegen Bakterien oder vielleicht auch Bluthochdruck zu entwickeln.