Vorhof repariert Herzkammer

Herzmuskelzellen wandern aus dem Vorhof in geschädigte Herzkammer und tragen so zur Regeneration bei

10.07.2013 - Deutschland

Wird das Herz infolge eines Infarktes nicht ausreichend mit Blut versorgt, stirbt Herzgewebe ab. Bei erwachsenen Menschen ist die Fähigkeit zur Selbstheilung kaum entwickelt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun mit US-Kollegen am Embryo des Zebrabärblings beobachtet, dass Muskelzellen aus dem unbeschädigten Vorhof in die Herzkammer einwandern und so wesentlich zur Regeneration beitragen. Dies könnte Grundlage für neuartige Therapieansätze sein.

© MPI f. Herz- und Lungenforschung

Herzmuskelzellen aus dem Vorhof reparieren die geschädigte Herzkammer: 96 Stunden nach der Schädigung der Herzkammer sind eine große Zahl an Vorhofzellen (grün) aus dem Vorhof (A) in die Herzkammer (V) eingewandert. Zusammen mit den überlebenden Muskelzellen der Herzkammer (rot) kann die Herzkammer so wieder weitgehend funktionieren

Gelingt es nach einem Herzinfarkt in der Klinik nicht schnell genug, die verschlossenen Herzkranzgefäße zu öffnen, wird bei diesen Patienten der Herzmuskel wegen der unterbrochenen Sauerstoffversorgung dauerhaft geschädigt. Die Folge ist unter anderem eine lebenslange Einschränkung der Herzfunktion bis hin zum Herzversagen.

Seit vielen Jahren suchen deshalb Wissenschaftler weltweit nach Möglichkeiten, die Regeneration von geschädigtem Herzgewebe zu stimulieren. Die Arbeitsgruppe von Didier Stainier vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung hat nun zusammen mit Wissenschaftlern der Universität in San Diego bei Zebrafischen einen neuartigen Mechanismus identifiziert, bei dem Zellen aus dem Vorhof aktiv in die geschädigte Muskulatur der Herzkammer einwandern und dort neues Gewebe bilden.

Für ihre Studie verwendeten die Max-Planck-Forscher gentechnisch veränderte Fischlarven, bei denen sich gezielt die Muskelzellen der Herzkammer durch die Gabe einer Substanz ausschalten ließen. Hierzu wählten die Forscher einen bestimmten Zeitpunkt des Embryonalwachstums aus, bei dem das Herz bereits aktiv war. Durch die Medikamentenbehandlung starben die Muskelzellen weitestgehend ab, so dass sich die Herzfunktion messbar verschlechterte.

Um das Verhalten der verschiedenen Zellarten verfolgen zu können, waren zudem die Herzmuskelzellen mittels weiterer gentechnischer Eingriffe so verändert, dass Zellen aus dem Vorhof und der Herzkammer jeweils unterschiedlich leuchteten. „Auf diese Weise waren wir in der Lage, in einem konfokalen Mikroskop das Verhalten der einzelnen Zelltypen kontinuierlich verfolgen“, erläutert Didier Stainier, der  am Max-Planck-Institut Direktor der Abteilung „Genetik der Entwicklung“ ist.

„Wenige Stunden nach der Medikamentenbehandlung leuchteten im Ventrikel nur noch wenige Zellen rot und die Herzkammer war deutlich geschrumpft; beides  Hinweise auf das Absterben der Muskelzellen“, so Stainier. Bereits 24 Stunden später habe das Leuchten wieder deutlich zugenommen. Dies sei ein Hinweis auf eine Zellteilungsaktivität von überlebenden Zellen in der Herzkammer.

Eine derartige Regenerationsfähigkeit beim Zebrafisch ist seit längerem bekannt. Die eigentliche Überraschung war allerdings, dass zunehmend grün leuchtende Muskelzellen aus dem Vorhof in die Herzkammer einwanderten. Wenige Tage nach der Schädigung des Muskelgewebes leuchten weite Teile des Ventrikels grün.

In weiteren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler dann deutliche Hinweise auf eine sogenannte Transdifferenzierung von Muskelzellen: Die Muskelzellen aus dem Vorhof des Fischherzens verlieren zunächst ihre charakteristischen Eigenschaften, um anschließend im Zuge der Regeneration zu Herzkammerzellen zu werden. Mit dem Fortschreiten der Herzregeneration wurden diese Zellen fest in das Muskelgewebe eingebaut und leisteten ihren Beitrag zur Wiederherstellung der Herzfunktion.

Die Max-Planck-Forscher sehen in ihrer Studie Potenzial für eine zukünftige Therapie. „Obwohl  beim Menschen im Vorhof eine Zellpopulation gefunden wurde, die ein vergleichbares Verhalten an den Tag legt, ist es fraglich, ob das menschliche Herz eine vergleichbare Selbstheilungsfähigkeit besitzt“, sagt Stainier. Eine Lösung könnte aber sein, mit Hilfe einer Gentherapie derartige Umprogrammierungen von Zellen zu stimulieren und so die Selbstheilungskräfte des Herzens zu stärken.

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