Neue S2-Leitlinie Diabetes und Psyche

24.06.2013 - Deutschland

Jeder achte Mensch mit Diabetes mellitus leidet an einer Depression, jeder dritte Patient weist eine erhöhte Depressivität auf. Bleiben psychische Erkrankungen - wie leider noch immer häufig - unerkannt und unbehandelt, verhindern sie meist eine gute Diabeteseinstellung, erhöhen das Risiko für Folgeerkrankungen und verkürzen die Lebenserwartung. Die neue S2-Leitlinie „Psychosoziales und Diabetes“ soll die Erkennung psychosozialer Probleme und psychischer Erkrankungen, deren Behandlung und die Schulung der Betroffenen verbessern.

Der praxisnahe Leitfaden ist mit der aktuellen englischen Übersetzung die weltweit erste Leitlinie dieses Fachgebietes. Die Themen sind breit und reichen von psychosozialen Problemen im Zusammenhang mit Diabetes und der Diabetesschulung bis hin zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen, Demenz und Schizophrenien. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat die Leitlinie fachübergreifend zusammen mit einer Reihe anderer Fachgesellschaften erstellt.

Trotz wirksamer Hilfsangebote und Therapien erreicht Diabetespatienten mit psychosozialen Belastungen nur selten professionelle Hilfe durch Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater. „Die psychosoziale Versorgung von Menschen mit Diabetes ist leider noch immer unzureichend. Patienten, die wegen emotionaler Belastungen Probleme mit der Diabetestherapie haben, erhalten in der klinischen Praxis nur selten adäquate Unterstützung. Bei der Therapie des Diabetes stehen noch immer die Blutzuckerwerte sowie somatische Behandlungsziele im Vordergrund. Nur bei jedem dritten Patienten wird beispielsweise nach psychischen Belastungen im Zusammenhang mit Diabetes gefragt“, bemerkt der Koordinator der Leitlinie, Privatdozent Dr. habil. Dipl.-Psych. Bernhard Kulzer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der DDG. Die neue Leitlinie fasst daher auf der Basis der Bewertung aller verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse den aktuellen wissenschaftlichen Stand zusammen. Sie gibt Empfehlungen zu strukturierten Schulungsangeboten, psychosozialen Behandlungskonzepten sowie zur Diagnostik und Therapie komorbider psychischer Erkrankungen bei Diabetes. Sie zeigt außerdem auf, wie psychosoziale Konzepte besser in die Diabetestherapie integriert werden können.

„Für die Therapie und die langfristige Prognose des Diabetes sind somatische und psychosoziale Faktoren gleichermaßen wichtig“, ergänzt Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Denn Menschen mit Diabetes müssen die Therapie im Alltag dauerhaft und eigenverantwortlich durchführen. „Wenn Patienten die Erkrankung gefühlsmäßig nicht akzeptieren, Probleme haben, sich für die Therapie zu motivieren oder ihren Lebensstil anzupassen, dann ist eine erfolgreiche Therapie nicht möglich“, betont Siegel.

Die neue Leitlinie richtet sich an alle Berufsgruppen, die Patienten mit Diabetes betreuen, an interessierte Patienten, Angehörige und Selbsthilfegruppen. Sie bietet aufgrund einer Vielzahl von Handlungsempfehlungen eine Grundlage für eine Reihe von Entscheidungen in der täglichen Praxis, so Siegel, und verbessere die Versorgung, die therapeutischen Perspektiven und letztlich die Lebensqualität der Patienten.

Für die Erstellung der Leitlinie haben sich sieben führende Experten aus der Diabetologie, Psychosomatik, Psychologie und Psychiatrie fachübergreifend zusammengefunden. Unter Leitung des Koordinators Kulzer haben sie die aktuellsten medizinischen Entwicklungen der letzten Jahre rund um psychosoziale Aspekte des Diabetes strukturiert zusammengetragen und evidenzbasiert bewertet. Ein innovativer Prozess, da diese Leitlinien bislang weltweit einzigartig sind. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat den Leitlinienprozess administrativ und organisatorisch begleitet. „Die DDG erhofft sich von allen Berufsgruppen und Patientenorganisationen, die mit der Betreuung von Diabetespatienten befasst sind, eine umfassende Umsetzung der Leitlinie in der gesamten Breite des deutschen Gesundheitssystems“, betont Siegel. Eine englische Übersetzung, eine Kurzfassung als Praxisversion sowie eine Patientenleitlinie werden im Laufe des Jahres 2013 erscheinen.

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