Einen Proteom-Atlas des Tuberkulose-Erregers

17.05.2013 - Schweiz

Fotografen kennen das Problem: Mit blossem Auge sieht man zwar, auf welchem Ast des Baumes der zum Motiv gewählte Vogel sitzt. Aber den Vogel dann im Gewirr der Äste auch durch das Tele-Objektiv für die hochauflösende Nahaufnahme zu finden, braucht einiges an Geschick. Vor einem ähnlichen Problem stehen Forschende, wenn sie Proteine, die aktiven Biomoleküle der Zelle, untersuchen wollen.

Eine Suchhilfe kommt nun von Olga Schubert, ETH-Doktorandin am Institut für Molekulare Systembiologie, und ihren Kollegen: Um Wissenschaftlern zu helfen, ein bestimmtes Protein im Gewirr aller Proteine (des Proteoms) zu finden, haben sie einen Proteom-Atlas des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis erstellt.

Die Nadel im Heuhaufen finden

Statt einer Kamera verwenden Wissenschaftler ein sogenanntes Massenspektrometer, um Proteine zu messen. Mit diesem Gerät können sie entweder das Gesamtbild des Proteoms aufnehmen, oder an bestimmte Stellen zoomen, um einzelne Proteine ganz präzise auszumessen. Für das «Selected Reaction Monitoring» (SRM) – die Nahaufnahme mit Telezoom-Objektiv – müssen Forscher das Massenspektrometer jedoch mit Koordinaten füttern, damit es das gewählte Protein in der Masse aus Tausenden anderer Proteine findet.

Bisher mussten Wissenschaftler, wenn sie beispielsweise gezielt einen biologischen Prozess im Mycobacterium untersuchen wollten, die SRM-Koordinaten für jedes einzelne Protein selbst bestimmen. Um die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen zu erleichtern, bestimmten Schubert und ihre Kollegen die Koordinaten sämtlicher Proteine des Tuberkulose-Erregers. Dank des neuen «Nachschlagewerks» können Wissenschaftler nun direkt an die richtige Stelle auf der Proteom-Landkarte zoomen.

97% aller Tuberkulose-Proteine abgedeckt

Um den Atlas zu erstellen, analysierten die ETH-Forschenden zunächst das gesamte Tuberkulose-Proteom. Dabei zerkleinerten sie die aus dem Mycobacterium isolierten Proteine in viele kleine Stücke, sogenannte Peptide, und massen diese mit dem Massenspektrometer. Für jedes Protein wählten sie anschliessend repräsentative Peptide aus, welche das deutlichste Signal ergaben. Diese insgesamt 17'000 Peptide liessen sie danach künstlich synthetisieren und erzeugten SRM-Messprofile für jedes einzelne Proteinstück, womit sie 97% der etwa 4000 beschriebenen Tuberkulose-Proteine abdeckten. Die Eckdaten dieser Profile dienen nun anderen Wissenschaftlern als Anleitung, wie sie jedes einzelne Protein in der Gesamtheit aller Proteine des Krankheitserregers finden können.

Mit ihrer Gesamtanalyse des Proteoms erreichten Schubert und ihre Kollegen eine so hohe Auflösung, dass sie sogar bisher unbekannte Proteine entdeckten. So konnten sie der Liste der Tuberkulose-Proteine 22 neue hinzufügen. «Obwohl die Genomsequenz des Mykobakteriums schon lange bekannt ist, haben wir noch immer nicht das gesamte Proteom entschlüsselt», erklärt Schubert.

Kann zu neuen Therapien und Früherkennung beitragen

Die Proteine von Krankheitserregern stehen deshalb im Fokus der Forschung, da sie die Hauptangriffsfläche für neue Medikamente bieten. Die Tuberkulose gilt nach wie vor als gefährliche Krankheit, insbesondere für Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Multi-resistente Stämme des Bakteriums, die auf die gängigsten Medikamente nicht mehr ansprechen, werden zunehmend zum Problem. Die klassische Suche nach neuen Arzneimitteln, das Durchkämmen bekannter Substanzen nach einem antibakteriellen Wirkstoff, hat bislang nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt. Von der Grundlagenforschung erhofft man sich Erkenntnisse, die neue Angriffspunkte für Medikamente aufdecken könnten. Der Atlas des Tuberkulose-Proteoms könnte dazu wesentlich beitragen.

Die darin verzeichneten Koordinaten sind so spezifisch, dass man Tuberkulose-Proteine auch in einer komplexen Mischung aus Proteinen aufspüren kann, zum Beispiel im Blut oder einer Gewebeprobe eines Patienten. So könnten diese Daten Forschenden dabei helfen, bessere Diagnoseverfahren zu entwickeln, um eine Infektion möglichst früh zu erkennen.

Einen spezifischen Proteom-Atlas erstellten die Forschenden um Ruedi Aebersold, Professor für Molekulare Systembiologie der ETH und Universität Zürich, bereits für den Modellorganismus Hefe. Weitere Organismen, insbesondere Krankheits-Erreger, könnten folgen und der Entwicklung neuer Medikamente zugutekommen.

Originalveröffentlichung

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