Gesellschaft für Virologie befürwortet neue Risikobewertung für Forschung mit Influenzaviren

Höchste Labor-Sicherheitsstufe für Forschung mit Influenzaviren

02.04.2013 - Deutschland

Seit 2013 dürfen Virologen wieder mit Vogelgrippe-Erregern forschen – allerdings nur in Hochsicherheitslaboren, wenn sich dabei eine Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch entwickeln könnte. Die Wiederaufnahme dieser Forschungsarbeiten hält die Gesellschaft für Virologie (GfV) für unerlässlich. Nur so könne ein möglicher Übergang auf den Menschen und eine dann mögliche länderübergreifende Ausbreitung der noch unzureichend erforschten H5N1-Viren frühzeitig erkannt oder gar verhindert und ein Impfstoff entwickelt werden.

Um die nötige Sicherheit im Labor zu gewährleisten, hat die deutsche Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) jetzt das Risiko der genetisch flexiblen Viren neu bewertet: Danach dürfen Experimente mit hochgefährlichen Influenza-A-Viren der Subtypen H5 und H7, bei denen Virologen die Luftübertragbarkeit zwischen Säugetieren testen, zukünftig nicht mehr in Laboratorien der Sicherheitsstufe 3 sondern nur in solchen der Sicherheitsstufe 4 durchgeführt werden, dass heißt unter Bedingungen, die auch für Arbeiten mit hochgefährlichen Ebola-, Lassa- und Pocken-Viren gelten.

Das Vogelgrippevirus tötete in den letzten Jahren Millionen von Vögeln. Seit 1997 führte es bislang nur bei weltweit etwas mehr als 600 Menschen zu Erkrankungen. Etwa 60 Prozent der Erkrankten starben. „Dass das Virus bislang nicht zu einer Pandemie führte, beruht in erster Linie darauf, dass es im Gegensatz zu menschlichen Influenzaviren nicht über die Luft von Mensch zu Mensch übertragen wird“, erklärt Professor Dr. med. Thomas Mertens, Präsident der GfV, vom Universitätsklinikum Ulm. In ganz vereinzelten Fällen trat möglicherweise aber doch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung auf. „Wir sehen das H5N1-Virus daher als Hauptkandidaten einer möglichen künftigen Pandemie“, so Mertens. Umso wichtiger sei es, die Studien in Tiermodellen fortzusetzen. Sie hatten bereits in der Vergangenheit entscheidende Erkenntnisse gebracht, etwa welche Mutationen im Genom der Viren den gefährlichen Wirtswechsel ermöglichen.

Bei den Versuchen müssen der GfV zufolge jedoch besondere Vorsichtsmaßnahmen herrschen. Auf Anfrage einer Bundestagsfraktion hat die GfV daher empfohlen, die bestehenden Sicherheitsbestimmungen für die Forschung mit dem Vogelgrippevirus zu überprüfen. Die Reaktion erfolgte prompt: In einer aktuellen Stellungnahme bestätigt die ZKBS jetzt, dass gentechnische Arbeiten, bei denen Forscher die Übertragbarkeit der aviären Influenza-A-Viren über die Luft zwischen Säugetieren steigern, zukünftig auf die Sicherheitsstufe 4 hochgestuft werden. „Das gilt nicht nur für gezielt in das Virusgenom eingeführte Mutationen“, so Professor Dr. rer. nat. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg, „sondern auch für genetische Veränderungen, die durch natürlichen Druck der Umwelt zustande kommen und die Luftübertragbarkeit verbessern. Genau das kann passieren, wenn Forscher Viren in geeigneten Tiermodellen vermehren“, so der GfV-Experte. Diese Versuche seien äußerst wichtig, betont Becker. Denn so prüfen Virologen, ob das H5N1-Virus die Fähigkeit erworben hat, sich von Mensch zu Mensch auszubreiten – der entscheidende Faktor, der eine Pandemie auslösen könnte.

Die GfV begrüßt die verschärfte Sicherheit, unter der die Forschungsarbeiten nach Ende des einjährigen Versuchsstopps wieder aufgenommen werden können. Weltweit gibt es 15 Laboratorien der Sicherheitsstufe 4. Die sogenannten BSL4-Laboratorien sind gegen die Außenwelt abgeschottet und die Mitarbeiter tragen eine Art Raumanzug. In Deutschland befinden sich diese Hochsicherheitslabore in Marburg und Hamburg. Grundsätzlich müsse der Erkenntnisgewinn und der gesellschaftliche Nutzen das Risiko solcher Studien deutlich überwiegen. „Dies nach bestem Wissen und Gewissen zu prüfen liegt auch in der besonderen Verantwortung der Wissenschaftler“, betont die GfV.

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