Kann das Hundestaupevirus Menschen infizieren?

19.03.2013 - Deutschland

Die Masern ausrotten – dieses Ziel strebt die Weltgesundheitsorganisation an. Wenn es klappt, könnte das womöglich einem anderen Krankheitserreger Tür und Tor öffnen: dem Hundestaupevirus.

Bieringer et al. PLoS ONE 8(3): e57488

Das Strukturmodell zeigt, wie ein Hüllprotein (pink) des Hundestaupevirus nach nur einer einzigen Mutation an den CD150-Rezeptor (blau) menschlicher Immunzellen binden kann. Das würde dem Virus Zugang ins Innere der Zellen verschaffen.

Weltweit bekommen jedes Jahr 20 bis 30 Millionen Menschen die Masern. Diese Virusinfektion wird bisweilen als „harmlose Kinderkrankheit“ betrachtet – aber das stimmt nicht. Allein im Jahr 2010 starben daran 150.000 Menschen. Die Krankheit kann außerdem schwere Folgeschäden verursachen: So erblinden an den Masern jährlich rund 30.000 Menschen, vor allem in Afrika.

Kein Wunder, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die Masern ausrotten will, so wie es mit den Pocken 1980 gelungen ist. „Dieses Ziel könnte schon 2020 erreicht sein, wenn sich eine konsequente Impfung der ganzen Menschheit gegen die Masern realisieren ließe“, sagt Jürgen Schneider-Schaulies, Professor am Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg.

Falls die Masern irgendwann besiegt sein sollten, wären Schutzimpfungen überflüssig. Den fehlenden Impfschutz könnten dann aber andere Viren ausnutzen, die sehr eng mit den Masern verwandt sind, um die frei gewordene Nische zu besetzen – zum Beispiel Hundestaupeviren. Diese Erreger verursachen bei Hunden und anderen Tieren unter anderem Durchfall, Krämpfe und Gehirnschäden. Häufig endet die Infektion tödlich.

Schützt Masernimpfung vor der Hundestaupe?

„Impft man Hunde mit dem Masernimpfstoff, sind sie vor einer Infektion mit dem Staupevirus geschützt“, so Schneider-Schaulies. Daraus lasse sich schließen: Auch Menschen, die gegen Masern geimpft wurden oder eine Maserninfektion durchgemacht haben, sind gegen Staupeviren immun. Tatsachlich ist bislang kein einziger Fall bekannt, in dem Staupeviren einen Menschen befallen haben.

Dabei scheint der Weg zum Menschen nicht weit zu sein. Anders als das Masernvirus, das nur den Menschen als natürlichen Wirt hat, können Hundestaupeviren verschiedene Fleischfresser infizieren: Hunde, Füchse, Waschbären, Dachse, Löwen und sogar Affen (Makaken). „Das Hundestaupevirus ist in dieser Hinsicht viel flexibler als das Masernvirus“, sagt der Würzburger Virologe, „und durch Mutationen seines Erbguts könnte es auch für Menschen infektiös werden.“

Bei Viren verändert sich das Erbgut sehr schnell, wie das Beispiel der Grippeviren zeigt. Sie variieren so stark, dass das Immunsystem immer wieder neu auf sie reagieren und der Impfstoff jedes Jahr neu angepasst werden muss – und trotzdem kommt es regelmäßig zu Grippewellen.

Erster Infektionsschritt funktioniert schon

Wie stark müsste sich das Hundestaupevirus verändern, um Menschen infizieren zu können? Das hat das Forschungsteam von Schneider-Schaulies anhand der ersten Schritte der Infektion, der Bindung an Rezeptoren, untersucht.

An einen der beiden Rezeptoren, das Nectin-4 auf Epithelzellen, kann das Virus schon jetzt ohne Veränderung binden. Die Bindung an den anderen Rezeptor dürfte dem Virus leichtfallen: Um über den Rezeptor CD150 Zutritt in die Immunzellen zu bekommen, ist nur eine einzige Mutation im viralen Hüllprotein Hämagglutinin nötig.

Mehrere Mutationen für Anpassung an Menschen nötig

Allerdings hat sich das Hundestaupevirus damit erst einmal nur in die Zellen hineingeschmuggelt. „Um sich dort erfolgreich vermehren und Schäden anrichten zu können, sind noch mehrere Veränderungen in seinen Genen nötig“, so Schneider-Schaulies. Die vollständige Anpassung an den Menschen sei also nicht ganz so einfach.

„Solange ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung gegen Masern immun ist, haben wir wohl kaum zu befürchten, dass das Hundestaupevirus die Grenze zum Menschen überschreitet“, prognostiziert der Würzburger Forscher. Allerdings solle die Wissenschaft am besten schon jetzt über eine Sache nachdenken: welche Maßnahmen sich gegen das Hundestaupevirus am besten eignen, falls die Masern doch einmal ausgerottet sein sollten.

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