Darmkrebs zeigt bei Maus und Mensch übereinstimmende epigenetische Muster

Die epigenetische Untersuchung von Mäusen kann daher zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Menschen beitragen

08.02.2013 - Deutschland

Bei der Entstehung von Tumoren kommen Mutationen im Erbgut mit einer weiteren Art von Modifikationen zusammen, den epigenetische Veränderungen. So können bestimmte Abschnitte der Erbsubstanz DNA durch Anheften von kleinen chemischen Gruppen ­–sogenannten Methylgruppen– verändert und so Gene aktiviert oder stillgelegt werden.  In welcher Reihenfolge diese Veränderungen im Laufe der Tumorentwicklung auftreten, war bisher ein Rätsel.  Wissenschaftler vom Berliner Max-Planck-Institut für molekulare Genetik haben nun in jungen Darmtumoren von Mäusen ein Muster aus rund 13.000 epigenetischen Veränderungen identifiziert, in denen sich die Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden. Große Teile dieses Musters entdeckten sie auch in menschlichem Krebsgewebe, was Hoffnungen für neue Möglichkeiten in der Früherkennung weckt.

Max-Planck-Institut für molekulare Genetik

Die Abbildung zeigt einen kleinen Ausschnitt aus der epigenetischen Landschaft von sechs normalen Darmgeweben (blau) sowie fünf Darmtumoren (rot) der Maus. Berge entsprechen starker epigenetischer Modifikation, Täler zeigen das Fehlen solcher Modifikation an. Ein epigenetischer Tumormarker ist durch ein grünes Rechteck markiert.

Zwei Arten von molekularen Veränderungen sind als Auslöser für Tumorerkrankungen bekannt: Zum einen aktivieren genetische Mutationen - also Änderungen in der Buchstabenfolge der Erbsubstanz DNA - Gene, die zu ungebremstem Tumorwachstum führen, oder sie inaktiveren Gene, die dem entgegenwirken. Zum anderen tragen epigenetische Modifikationen,  beispielsweise Neuverteilungen von Methylgruppen auf der DNA, dazu bei, dass die Erbinformation in Krebszellen anders interpretiert wird.

Genetische und epigenetische Mechanismen wirken also im Krebsgeschehen zusammen – aber darüber, wie sich diese Systeme gegenseitig beeinflussen und welche Veränderungen als erste zu Tage treten, ist bisher wenig bekannt.  Durch die Untersuchung von menschlichen Tumorproben lassen sich diese Fragen nur sehr schwer beantworten: Bei der Diagnose „Darmkrebs“ ist das Geschwür in der Regel bereits mehrere Jahre alt. Dementsprechend weisen die Krebszellen in diesem Stadium auch schon tausende genetische und epigenetische  Veränderungen auf, was die Analyse verkompliziert.

Anders ist die Sache bei entsprechenden Polypen im Darm von Mäusen, welche die Forscher wesentlich früher nach ihrer Entstehung untersuchen können. Aus diesem Grund sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik nun anhand eines Mausmodells der Frage nachgegangen, welche epigenetischen Veränderungen in Darmtumoren  zuerst auftreten.
„Bei Mäusen können wir die ersten Veränderungen viel leichter untersuchen als beim Menschen“, sagt Markus Morkel, der die Studie leitete. Die Wissenschaftler analysierten die epigenetischen Veränderungen im Erbgut einer Mauslinie, bei der das APC-Gen defekt ist. Dieses Gen dient als Bremse bei der Entstehung von Tumoren; bei vielen Darmkrebspatienten hat es jedoch seine Funktion verloren.

Das Ergebnis zeigte den Forschern ein klares Bild: In allen Proben aus Tumorzellen erkannten sie dasselbe Muster aus über 13.000 epigenetischen Veränderungen.  In gesunden Stammzellen des Darms fanden sie dieses Muster hingegen nicht. Da die Mäuse und damit auch ihre Tumoren zum Zeitpunkt der Untersuchung jünger als drei Monate waren, mussten die Veränderungen sich also schon bald nach der ersten genetischen Mutation im Gen APC in den Tumorzellen ausgebreitet haben. Den Wissenschaftlern zufolge führt bereits die erste Mutation zur krankhaften Aktivierung zahlreicher Enzyme, die epigenetische Mechanismen kontrollieren.

Bemerkenswerterweise entdeckten die Molekularbiologen große Teile des tumorspezifischen epigenetischen Musters nicht nur in der Maus, sondern auch im menschlichen Darmkrebsgewebe. Auch hier stießen sie auf dieselben Veränderungen in Darmtumoren, die sie im normalen Gewebe nicht fanden.
„Diese ersten epigenetischen Veränderungen könnten also als  Marker dienen und  die Früherkennung von Darmtumoren in Zukunft wesentlich vereinfachen“, hofft Markus Morkel. Für die Diagnose müssten die Patienten dann lediglich eine Blutprobe abgeben und könnten auf eine Darmspiegelung verzichten.

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