Epigenetische Kontrolle der Herzentwicklung

Nicht-kodierende RNA ist essenziell für Entstehung eines normalen Herzens im Embryo

01.02.2013 - Deutschland

Bei der Embryonalentwicklung entstehen aus pluripotenten Stammzellen viele unterschiedliche Gewebe und Organe. Bisher war bekannt, dass diese Prozesse von gewebespezifisch gebildeten Transkriptionsfaktoren gesteuert werden. Jetzt konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des MIT und Broad Institute in Boston zeigen, dass auch RNAs, die nicht als Vorlage zur Proteinbildung dienen, als Kontrollfaktoren an diesen Prozessen beteiligt sind. Die Wissenschaftler schalteten ein Gen für lange nicht-kodierende RNA-Moleküle (lncRNA) aus und störten dadurch die Herzentwicklung so empfindlich, dass die Embryonen abstarben. Die Bildung der Bauchdecke war ebenfalls beeinträchtigt. Es stellte sich heraus, dass die lncRNA an der Kontrolle von Transkriptionsfaktoren beteiligt ist, die ihrerseits für die Kontrolle von Gewebe- und Organbildung verantwortlich sind. Die lncRNA wirkt also selbst als Kontrollfaktor bei diesen Prozessen.

© MPI für molekulare Genetik

Defekte Herzfunktion in 12,5 Tage alten Mäuseembryonen von Fendrr-Mutanten (rechts) im Vergleich zu normalen Embryonen (links). la – linke Vorkammer, lv - linke Herzkammer, ra - rechte Vorkammer, rv - rechte Herzkammer

Als lange nicht-kodierende RNA werden RNA-Moleküle bezeichnet, die mehr als  300 Nukleotide lang sind und keine Protein-kodierende Leseraster aufweisen. Sie sind dafür bekannt, dass sie mit Histon-modifizierenden Proteinkomplexen interagieren, die den Aktivitätsstatus (aktivierbar, aktiv oder reprimiert) von Genen kontrollieren sowie deren Aktivitätsstärke beeinflussen. Dies geschieht z.B. durch Übertragung von Methylgruppen auf Histone, die Verpackungsproteine der DNA. Solche Modifikationen an den Histonen können bei der Zellteilung kopiert werden und dadurch den Aktivitätsstatus von Genen über mehrere Entwicklungsstadien von Zelle zu Zelle weiter tragen.

Nun haben Max-Planck-Wissenschaftler um Bernhard Herrmann zum ersten Mal nachgewiesen, dass auch lncRNAs für die Embryonalentwicklung unverzichtbar sein können. Dies war bisher vor allem von Transkriptionsfaktoren bekannt. Sie entdeckten eine lncRNA, Fendrr, die spezifisch in Vorläuferzellen des Herzens und der Bauchdecke gebildet wird. Nach Ausschalten von Fendrr in der Maus kam es zu Fehlbildungen des Herzens und der Bauchdecke, die zum Absterben der Embryonen führten. Die Fehlbildungen entstanden aber erst mehrere Tage nachdem Fendrr in den Vorläuferzellen bereits abgeschaltet war. Bei Transkriptionsfaktoren tritt die Fehlbildung nach deren Inaktivierung hingegen in den Zellen auf, in denen das Gen normalerweise aktiv ist.

Diese Verzögerung zwischen der Expression der Fendrr-RNA und dem Auftauchen der Fehlbildung ist durch die besondere Wirkungsweise dieser neuen Klasse von Regulatoren erklärbar.  Sie wirken nämlich durch Bindung an Histon-modifizierende Proteinkomplexe auf die epigenetische Kontrolle von Zielgenen, darunter wichtige Transkriptionsfaktoren, und beeinflussen so das Schicksal der Nachkommen von Zellen, in denen sie selbst nur kurz aktiv waren. 

Die Wissenschaftler hoffen nun, weitere lncRNAs zu finden, die die Herzbildung und weitere Prozesse der Embryonalentwicklung bei Säugern steuern, und den Mechanismus ihrer Wirkungsweise weiter aufzuklären. Denn Fendrr ist wahrscheinlich nur eine von vielen lncRNAs, die an der epigenetischen Kontrolle von Regulatoren der Gewebe- und Organbildung beteiligt sind.

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