Präzise und robuste Nanofabrikation mit Erbgutmolekülen

Bewährungsprobe für DNA-Nanotechnologie

20.12.2012 - Deutschland

In aktuellen Forschungsarbeiten konnten zwei wichtige Hürden genommen werden, die den Einsatz der DNA-Nanotechnologie bisher auf Laboranwendungen beschränkten. Bei dieser innovativen Technologie werden DNA-Stränge als programmierbarer Baustoff eingesetzt, um nanoskopische Strukturen im Selbstmontageverfahren zu erzeugen. Hier sind vielfältige Einsatzbereiche denkbar. Eine jüngst gezeigte praktische Anwendung sind synthetische Membrankanäle aus DNA. Bis jetzt wurden die Designprozesse jedoch durch mangelnde Belege für die angenommene dreidimensionale Struktur behindert. Die Selbstmontage verlief langsam, die Qualität war oft mangelhaft. Nun konnten Forscher um Prof. Hendrik Dietz von der Technischen Universität München (TUM) diese Hürden überwinden.

Dietz Lab, TUM

Nanofabrikation mit Erbgutmolekülen - Die nötige Zeitspanne für die Synthese von komplexen DNA-Objekten kann von einer Woche auf einige Minuten verkürzt werden, bei einer Ausbeute von nahezu 100 Prozent.

Dietz Lab, TUM

Bewährungsprobe für DNA-Nanotechnologie - Mit diesem DNA-Testobjekt haben Forscher bewiesen, dass sie solche Nanostrukturen auf atomarer Ebene präzise zusammenfügen können.

Dietz Lab, TUM
Dietz Lab, TUM

Forschungsaktivitäten im Feld der DNA-Nanotechnologie wurden bisher erschwert, weil eine grundlegende Hypothese nicht belegt werden konnte. Zwar konnten die Forscher bisher bereits eine Reihe unterschiedlicher Objekte designen und genau definieren, wie sich die einzelnen DNA-Stränge aneinander lagern und dann in die gewünschte dreidimensionale Struktur falten. Auch hatten sie bereits gezeigt, dass die erhaltenen Nanostrukturen relativ genau mit ihren Plänen übereinstimmten. Bisher fehlte jedoch ein Beleg für die exakte Positionierung der einzelnen Elemente im Sub-Nanometerbereich. Dieser Beleg konnte nun erstmals mit einem speziell für diese Analyse entwickelten Testobjekt erbracht werden. Das Ergebnis liefert einen entscheidenden Beleg, dass zentrale Annahmen der DNA-Nanotechnologie auch in der Praxis zutreffen.

In einer weiteren Versuchsreihe fanden die Wissenschaftler heraus, dass sie die für die Synthese von komplexen DNA-Objekten nötige Zeitspanne von einer Woche auf einige Minuten verkürzen können –  bei einer Ausbeute von nahezu 100 Prozent. Sie zeigten zum ersten Mal, dass sich bei konstanter Temperatur hunderte von DNA-Strängen innerhalb von Minuten gemeinsam in ein Objekt zusammenfalten, und zwar genau so, wie sie es geplant hatten. Trotz wesentlicher chemischer und struktureller Unterschiede ähnelt dieser Prozess  überraschenderweise der Faltung von Proteinen. Dietz erläutert: „Diese Kombination aus schneller Faltung und hoher Ausbeute zeigt uns deutlicher als je zuvor, dass die DNA-Nanotechnologie als Grundlage für eine völlig neue Fertigungstechnik dienen könnte, die sich künftig möglicherweise auch industriell nutzen lässt.“ Es gibt auch unmittelbare Vorteile: „Wir müssen nun nicht mehr eine Woche lang warten, bis wir die Ergebnisse unserer Experimente sehen, da diese Mehrschritt-Syntheseprozesse so viel einfacher und schneller ablaufen.“

Präzise Kontrolle auf der Ebene einzelner Atome

Um zu zeigen, dass spezifische Objekte aus DNA sich im Subnanometerbereich präzise wie geplant zusammensetzen, arbeiteten die Biophysiker der TUM mit Wissenschaftlern am englischen MRC Laboratorium für Molekularbiologie in Cambridge zusammen. Sie synthetisierten eine relativ große, dreidimensionale Struktur aus DNA, die mit spezifischen Motiven versehen war und auch asymmetrisch gestaltet war, um ihre räumliche Orientierung besser erkennen zu können.

Durch Niedertemperatur-Elektronenmikroskopie mit einer Auflösung im Subnanometerbereich konnten die Wissenschaftler einzelne Objekte, die aus über 460.000 Atomen bestehen, genauer untersuchen. Da diese einzelnen Objekte aus einer ganzen Reihe verschiedener Designelemente zusammengesetzt wurden, eignen sie sich auch als Untersuchungsobjekte für weitere Studien. Die Ergebnisse dieser Arbeitzeigen nicht nur, dass sich die Objekte auf atomarer Ebene präzise zusammenfügen, sondern auch, dass diese Strukturen, die man bisher für eher gelartig und elastisch gehalten hatte, rigide genug sind, um komplexe Funktionalitäten zu erreichen.

Schnelle Prozesse mit nahezu 100% Ausbeute

In einer zweiten Serie von Experimentenwurden DNA-Objekte mit 19 unterschiedlichen Designs eingesetzt, die in ihrer Form unter anderem an Teller, Zahnräder oder auch Ziegelsteine erinnern. Vorrangiges Ziel der Wissenschaftler war hier, die Dynamik von Faltung und Entfaltung der DNA genauer zu beobachten. DNA-Stränge, die hier gleichermaßen als Vorlage, Gebrauchsanweisung und Baumaterial fungieren, wurden bisher bei relativ hoher Temperatur zusammengegeben, sodass sie als Einzelstränge vorliegen. Während die Temperatur dann schrittweise abgesenkt wird, lagern sich die DNA-Stränge aneinander, um die geplanten Strukturen auszubilden.

Die Wissenschaftler der TUM konnten diesen Prozess erstmals im Detail beobachten: Alle Reaktionsschritte finden jedoch überraschenderweise in einem spezifischen und relativ engen Temperaturbereich statt, der je nach Form der geplanten DNA-Objekte variiert. Eine praktische Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen ist: Sobald der optimale Temperaturbereich für ein bestimmtes Design feststeht, kann die Selbstorganisation der DNA – also quasi der Fertigungsprozess im Nanobereich – als schneller Prozess bei konstanten Temperaturen ablaufen. Auf diesem Weg konnten die Forscher auch zeigen, dass sie in einer Art „Massenproduktion“ aus Hunderten von DNA-Strängen innerhalb von Minuten (statt Tagen) die gewünschten Objekte herstellen konnten, wobei im Reaktionsansatz fast keine Fehler oder Nebenprodukte entstanden.

„Diese Ergebnisse suggieren nicht nur, dass wir komplexe Objekte aus DNA möglicherweise in industrielle Maßstab herstellen können“, erläutert Dietz. „Sie legen vielmehr etwas nahe, was wir uns bisher kaum vorstellen konnten: Es könnte in Zukunft möglich sein, Nanobauteile aus DNA im Zellkulturmilieu oder sogar in lebenden Zellen zu erzeugen.“

Aus der Perspektive der biologischen Grundlagenforschung ist das wohl spannendste Ergebnis dieser Experimente, dass der Faltungsprozess der DNA der Faltung von Proteinen stärker ähnelt, als bisher angenommen wurde. Diese beiden Arten von Biomolekülen unterscheiden sich in ihren chemischen und strukturellen Eigenschaften deutlich voneinander. Die Wissenschaftler beobachteten jedoch klar definierte „gemeinsame“ Schritte bei der Faltung komplexer DNA-Objekte, die sich nicht von den Mechanismen der Proteinfaltung unterscheiden. Weitere Experimente mit diesen DNA-Objekten könnten daher auch in Form eines Modellsystems zu einem besseren Verständnis der Proteinfaltung führen, die komplex ist und sich schwierig direkt beobachten lässt.

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