Verkehrspolizisten im Immunsystem
Das Molekül IκBNS lässt regulatorische Immunzellen reifen
Das Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk aus verschiedenen Zelltypen und Botenstoffen. Die regulatorischen Zellen und die übrigen Immunzellen stehen in einem empfindlichen Gleichgewicht, eine Störung dieser Balance kann schwere Folgen haben: Sind zu viele Tregs vorhanden, wird das Immunsystem regelrecht „ausgebremst“ und Infektionen oder Tumore haben leichtes Spiel. Wenn Tregs fehlen, können andere Immunzellen außer Kontrolle geraten und das eigene Gewebe angreifen: Autoimmunerkrankungen wie rheumatische Arthritis oder die chronische Darmentzündung Colitis ulcerosa können die Folge sein. Eine weitere wichtige Rolle spielen Tregs nach Organtransplantationen. Sie entscheiden darüber, ob das Spenderorgan vom Körper angenommen oder abgestoßen wird.
Doch was dazu führt, dass unreife Immunzellen die „Polizeilaufbahn“ einschlagen, war bisher noch weitgehend unklar. Jetzt konnte Ingo Schmitz mit seinen Kollegen zeigen, dass der Transkriptionsfaktor IκBNS für die Entwicklung der regulatorischen Zellen einen wesentlichen Beitrag leistet: Er fördert die Bildung des Proteins FoxP3, des zentralen Merkmals von Tregs. IκBNS beeinflusst eine größere Gruppe von Transkriptionsfaktoren, die sogenannte NFκB-Familie. Diese Signalmoleküle fördern eigentlich viele durch das Immunsystem hervorgerufene Entzündungsreaktionen. „Umso überraschender war es für uns, dass IκBNS eine Schlüsselrolle in der Reifung von Tregs hat. Schließlich sind das Zellen, die Entzündungen eindämmen“, sagt Dr. Marc Schuster, einer der Mitarbeiter von Schmitz am HZI und Erstautor des Artikels. „Dabei hat IκBNS keinerlei Einfluss auf die Funktion der regulatorischen T-Zellen.“ Ihre Hypothese zur Bedeutung von IκBNS in der Entstehung der Tregs überprüften die Forscher an Mäusen, denen dieser Faktor fehlt: Da Zellen, denen IκBNS fehlt, nicht die „Polizeilaufbahn“ einschlagen, sind die Effektorzellen des Immunsystems ungebremst und können eine chronische Darmentzündung hervorrufen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die weitere Erforschung von IκBNS auch aus medizinischer Sicht von Interesse ist. Einerseits zur Vorhersage von Krankheiten: Ist IκBNS fehlerhaft, könnten Autoimmunerkrankungen die Folge sein. Andererseits als mögliches therapeutisches Ziel: „Wenn IκBNS spezifisch beeinflusst werden könnte, ließe sich darüber die Menge an Tregs steuern“, sagt Schmitz, der neben der Forschungstätigkeit am HZI auch einen Lehrstuhl an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg innehat. Schmitz weiter: „Eine Stabilisierung von IκBNS könnte der Therapie von Autoimmunerkrankungen nützen. Im Kontext von Infektionen oder Tumoren müssten wir IκBNS hemmen, um die Zahl der regulatorischen T-Zellen zu senken. Aber das ist natürlich noch Zukunftsmusik.“ Weil IκBNS allerdings auch eine Funktion in den Effektorzellen hat und für deren Aktivierung wichtig ist, könnte ein Eingriff unvorhergesehene Folgen haben. „Das ist eine Herausforderung, der man bei vielen therapeutischen Zielstrukturen gegenübersteht“, fügt Schmitz hinzu.
Originalveröffentlichung
Marc Schuster, Rainer Glauben, Carlos Plaza-Sirvent, Lisa Schreiber, Michaela Annemann, Stefan Floess, et al. ;"The atypical NFκB inhibitor IκBNS mediates regulatory T cell development by regulating Foxp3 induction."; Immunity, 2012