Zu viel Zellstress schwächt den Muskel
Die Arbeitsgruppe um Priv.-Doz. Dr. Jens Schmidt aus der Abteilung Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen hat in Zusammenarbeit mit der Abteilung Neuroimmunologie der UMG in zwei aktuellen Forschungsprojekten die Krankheitsentstehung chronischer Muskelentzündung wie die "sporadische Einschlusskörpermyositis" untersucht. Bei der Krankheit kommt es zu einem unaufhaltsam voranschreitenden Kraftverlust und Muskelschwund an Armen und Beinen. Oft führt sie innerhalb von einigen Jahren zur Gehunfähigkeit. Patienten sind dann auf Hilfsmittel wie einen Rollstuhl angewiesen. Bisher gibt es für die Krankheit keine erfolgreiche Therapie. Die zwei Arbeiten der Forschergruppe wurden in "Brain" und "Arthritis & Rheumatism" veröffentlicht.
"Die beiden Publikationen tragen wesentlich dazu bei, besser zu verstehen, wie es zu chronischen Muskelentzündungen wie der Einschlusskörpermyositis kommt“, sagt Priv.-Doz. Dr. Jens Schmidt, Leiter der Projekte und Oberarzt in der Abteilung Neurologie der UMG. "In der einen Studie konnten wir zeigen, dass Stress in den Zellen um Stickoxid eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielt. Wir haben festgestellt, dass es in den Muskelfasern, die das Stressmolekül NO bilden, mehr Eiweißablagerungen gibt, die den Muskel schwächen. In der zweiten Studie haben wir nachgewiesen, dass durch die bisherigen Behandlungen mit Im-munglobulinen und Glukokortikosteroiden zwar die Entzündung im Muskel verringert wird, nicht aber dessen Abbau. Diese Erkenntnisse können ein neuer Ansatz sein, um bessere Konzepte für die Behandlung zu entwickeln."
Wenn der Körper die Muskeln angreift
Bisher ist die Ursache der Erkrankung trotz einer Vielzahl an neueren Erkenntnissen unklar. Fest steht, dass eine fehlgeleitete Immunantwort zu einer Entzündung im Muskel beiträgt. Die Muskelfasern werden von körpereigenen Abwehrzellen angegriffen, vor allem durch so genannte zytotoxische T-Zellen. Die Folge ist: Im Muskel werden Botenstoffe (Zytokine) wie Interleukin-1β ausgeschüttet. Parallel zur Entzündung bildet sich der Muskel zurück. Die Ursache hierfür sind verschiedene Eiweißstoffe, die sich in den Muskelfasern ablagern. Diese Eiweißstoffe spielen auch bei Erkrankungen des Gehirns eine Rolle. Am häufigsten kommt es zu Ablagerungen des Eiweißes β-Amyloid. Dieses kommt auch bei der Alzhei-mer’schen Erkrankung vor.
Die erste Studie von Priv.-Doz. Dr. Schmidt und seinem Team wurde in "Brain" veröffentlicht. Die Forscher konnten belegen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Entzündung des Muskels durch die Ausschüttung des Botenstoffes Interleukin-1β und der Schwächung des Muskels durch Ablagerung des Eiweißstoffes β-Amyloid gibt. Hierbei kommt vor allem der so genannten induzierbaren Stickoxidsynthase (iNOS) und dem dadurch gebildeten Stickoxid (NO) eine wesentliche Bedeutung zu. Die Göttinger Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass die Ablagerungen von β-Amyloid besonders in den Muskelfasern auftraten, die das Stressmolekül NO bilden. Im Reagenzglas konnten die Wissenschaftler erstmals demonstrieren, dass die chronische Entzündung und Degeneration des Muskels durch eine Blockade der Stickoxidsynthase (iNOS) unterbunden werden konnte.
Originalveröffentlichung
Jana Zschüntzsch, Joachim Voss, Kim Creus, Stephan Sehmisch, Raghavan Raju, Marinos C. Dalakas, Jens Schmidt: "Provision of an explanation for the inefficacy of immunotherapy in sIBM: quantitative assessment of inflammation and β-amyloid in the muscle."; Arthritis & Rheumatism (2012):
Jens Schmidt, Konstanze Barthel, Jana Zschüntzsch, Ingrid E. Muth, et al.; "Nitric oxide stress in sporadic inclusion body myositis muscle fibres: inhibition of inducible nitric oxide synthase prevents interleukin-β-induced accumulation of β-amyloid and cell death."; Brain (2012), 135: 1102-14.
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Jens Schmidt, Konstanze Barthel, Jana Zschüntzsch, Ingrid E. Muth, et al.; "Nitric oxide stress in sporadic inclusion body myositis muscle fibres: inhibition of inducible nitric oxide synthase prevents interleukin-β-induced accumulation of β-amyloid and cell death."; Brain (2012), 135: 1102-14.
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