Insektizid-Resistenz durch Neukombination zweier Gene
Enzym macht Raupen des Baumwollkapselwurms resistent gegen Pyrethoide
© A. Overmeyer, N. Joußen/ MPI für chemische Ökologie
© A. Overmeyer, N. Joußen/ MPI für chemische Ökologie
Die Raupen des Baumwollkapselwurms sind auf der ganzen Welt gefürchtete Schädlinge. Sie haben ein enorm breites Wirtsspektrum: Rund 200 verschiedene Pflanzenarten sind bekannt, die den Raupen als Nahrung zum Opfer fallen können. Das Insekt zählt zu den am weitesten verbreiteten Schädlingen. In Afrika, Südeuropa, Indien, Zentralasien, Neuseeland und Australien befällt der Pflanzenfresser verschiedene Kulturen. Fast 30 Prozent aller weltweit sich im Einsatz befindenden Insektizide, Bt-Toxine genauso wie Pyrethroide, werden jährlich gegen den Kapselwurm eingesetzt.
Pyrethroide sind synthetische Wirkstoffe, die auf Verbindungen des in Wucherblumen (Tanacetum) vorkommenden Insektengifts Pyrethrum basieren. Sie werden erfolgreich seit Jahrzehnten im Obst-, Gemüse- und Ackerbau eingesetzt. Resistenzbildungen des Baumwollkapselwurms gegen das besonders effektive Pyrethroid Fenvalerat werden in Australien schon seit 1983 beobachtet. David Heckel, seit 2004 Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, hatte 1998 das Gen für eine P450-Monooxygenase im Erbgut der Insekten identifiziert. Solche Enzyme sind auch in der Medizin dafür bekannt, dass sie Giftstoffe oder Pharmazeutika wirkungslos machen können.
Nicole Joußen, Wissenschaftlerin am Institut und Spezialistin für P450-Enzyme, hat sich dem Fenvalerat resistenten Stamm „TWB“ von Helicoverpa armigera gewidmet. Sie konnte auch in diesem Stamm diejenige P450-Monooxygenase identifizieren, die im Verdacht stand, die Pyrethroid-Resistenz hervorzurufen. Dabei fand sie heraus, dass von insgesamt sieben P450-Enzymen nur dasjenige mit der Bezeichnung CYP337B3 die Fenvalerat-Moleküle in 4‘-Hydroxyfenvalerat umbaut. Die resistenten TWB-Raupen vertragen deshalb 42-mal mehr Fenvalerat als nichtresistente Tiere. Die Wissenschaftlerin stellte zudem fest, dass auch der in Deutschland zugelassene und vorzugsweise gegen Blattlaus- und Käferbefall eingesetzte Wirkstoff Esfenvalerat von CYP337B3 unschädlich gemacht wird.
CYP337B3 ist auf eine besondere Art und Weise in den resistenten TWB-Raupen entstanden: durch einen Prozess, den Genetiker „Inäquales Crossing Over“ nennen. Treten im Verlauf der Teilung von Zellkernen sehr ähnliche DNA-Sequenzen, wie etwa sich naheliegende Transposons, miteinander in Kontakt, führt dies zu neuartigen Genkombinationen. Dabei gehen auf einem DNA-Strang genetische Informationen verloren und auf dem anderen kommt es zu einer Neueinfügung oder gar Verdopplung der genetischen Botschaften. Dieser natürliche Vorgang ist bedeutend in der Evolution von Genfamilien − so wie jetzt auch im Fall des P450-Monooxygenase-Gens CYP337B3 im TWB-Stamm des Baumwollkapselwurms beobachtet. „Mit diesem Ergebnis wurde erstmals eine gegen ein Insektizid resistenzvermittelnde Mutation aufgedeckt, die durch ein solches Crossing Over-Ereignis entstanden ist“, so David Heckel. Die Wissenschaftler entdeckten, dass sich CYP337B3 aus Teilen der für die Landwirtschaft „ungefährlichen“ Gene B1 und B2 zusammensetzt. Auch Transposon-Sequenzen wurden ermittelt. Diese spezielle Kombination aus Teilen der Vorläufergene B1 und B2 im chimären B3-Gen ist für die Fähigkeit des daraus resultierenden P450-Enzyms verantwortlich, das Insektizid zu binden, zu hydroxylieren und so zu entgiften.
Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel sind ein natürlicher Vorgang, der nicht gestoppt, jedoch durch sinnvollen Einsatz von Wirkstoffen oder anderen pflanzenschützenden Maßnahmen begrenzt werden kann. Dazu gehören eine ausreichende, aber nicht zu hohe Dosierung der Spritzmittel und die konsekutive Verwendung unterschiedlicher Wirkstoffe genauso wie gut aufeinander abgestimmte Fruchtfolgen - also Maßnahmen, die den Selektionsdruck auf einen Schädling nicht derart steigern, dass resistente Abkömmlinge sich ungehindert vermehren können. Die Resistenz von Helicoverpa armigera konnte in Australien durch Beschränkung des Einsatzes von Pyrethroiden auf einmal pro Jahr und durch Sprühen anderer Insektizide verzögert werden. Im Gegensatz dazu sind Pyrethroide in baumwollproduzierenden Ländern, in denen das Mittel im Übermaß und unkontrolliert eingesetzt worden war, inzwischen gegen den Schädling unwirksam geworden.