Neu identifiziertes Gen ermöglicht höhere Zuckerrübenerträge
Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung/Nina Pfeiffer und Bianca Büttner
Mit dem Forschungsergebnis der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Umeå Plant Science Centre kann die Zuckerrübenindustrie nun Saatmischungen verbessern und neue Sorten mit größeren Rüben züchten. Die Ergebnisse gehen auf über fünf Jahre Zusammenarbeit zurück, unter anderem mit den Unternehmen Syngenta, Strube, SESVanderHave und KWS.
Lange wurde das so genannte Schossgen der Zuckerrübe gesucht, denn die Zuckerrübe ist eine ökonomisch bedeutsame Anbaupflanze in Europa. Im Gegensatz zu Getreide, dessen oberirdischer Teil nach der Blüte und vollständigen Reife eingebracht wird, wird bei der Zuckerrübe der unter der Erde wachsende Teil, die verdickte Wurzel, geerntet. Diese enthält große Mengen an Zucker. Erzeuger versuchen, das Blühen der Pflanze zu verhindern, da dies das Ausbilden der zuckerspeichernden Wurzel beendet. Die Urpflanze der Zuckerrübe, die so genannte Wildbete, blüht oft in ihrem ersten Wachstumsjahr und entwickelt dadurch überhaupt keine Rübe. Die industriell verwendete Zuckerrübe bildet dagegen eine große Wurzel aus, die vor der generativen Phase in ihrem zweiten Wachstumsjahr geerntet wird.
Im klassischen Zuckerrübenanbau in Europa wird die Zuckerrübe vom Frühjahr bis zum Herbst angebaut. Würde sie bereits vor dem Winter gesät, würde die Rübe nach dem Winter blühen und nur kleine Wurzeln entwickeln, da niedrige Temperaturen der Pflanze ein Blühsignal geben. „Es war offensichtlich, dass es einen genetischen Unterschied zwischen der Wildbete und der Kulturpflanze gibt, der enorme Bedeutung für den landwirtschaftlichen Anbau hat“, erklärt Andreas Müller, federführender Forscher am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung in Kiel. “Wir wollten herausfinden, worin dieser Unterschied besteht und wie er evolutionär entstand. In einem zweiten Schritt wollten wir klären, ob wir das für das Schossen verantwortliche Gen dazu verwenden könnten, den Schosstrieb und damit den Ertrag zu kontrollieren.“
Am Anfang der Versuchsreihe pflanzten die Wissenschaftler tausende Zuckerrüben-Setzlinge und analysierten deren DNA. Dadurch konnte das Schossgen lokalisiert werden. Die Gensequenzen wurden anschließend mit denjenigen anderer Pflanzen verglichen. „Wir hatten erwartet, ein ähnliches Schossgen wie in der häufig untersuchten Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) zu finden. Erstaunlicherweise fanden wir jedoch ein völlig anderes Gen“, sagt Pierre Pin, Doktorand am Umeå Plant Science Centre. Der nächste Schritt sei es gewesen, die vermutete Funktion des Gens zu überprüfen. Dazu wurde in einem Experiment das in Frage kommende Gen mittels Gentechnik in der Zuckerrübe ausgeschaltet. Das Ergebnis: Die Pflanze blühte nicht. „Das war der Beweis. Wir hatten das Schossgen der Zuckerrübe identifiziert“, bekräftigt Pin. Pins Doktorvater Professor Ove Nilsson vom Umeå Plant Science Centre betont weiter: „Die Charakterisierung des Schossgens B, das jetzt mit der Bezeichnung BvBTC1 versehen wurde, ist ein Meilenstein sowohl für die Zuckerrübenindustrie als auch für die Erforschung des Blühverhaltens bei Pflanzen.“
Kommerziell produzierte Saatmischungen enthalten häufig Saatkörner, aus denen zu früh blühende Pflanzen hervorgehen. Das zieht nicht nur die derzeitige, sondern auch spätere Ernten in Mitleidenschaft. Der Grund ist, dass diese Schosser Samen aussetzen, die dann bis zu 20 Jahre keimfähig bleiben. Es ist aufwendig, diese so genannten Unkrautrüben zu entfernen. „Da wir jetzt das Schossgen identifiziert haben, können wir künftig überprüfen, ob unsere Mischungen früh blühende Saatkörner enthalten bevor wir sie in den Handel bringen“, erklärt Dr. Thomas Kraft, Leiter der Projektarbeiten bei Syngenta in Schweden.
„Wissenschaftlich gesehen sind diese Ergebnisse bahnbrechend, da die genetische Grundlage für den Schosstrieb bei der Zuckerrübe sich von allen anderen Pflanzen, die bisher untersucht wurden, unterscheidet“, ergänzt Professor Christian Jung. Der Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der CAU hat dieses Projekt auf Kieler Seite vor mehr als zwölf Jahren angestoßen. Die Pflanze habe großes Potential, als wissenschaftliches Modell für die Erforschung von Pflanzenwachstum und Schosstriebkontrolle zu dienen – ähnlich wie Mäuse bei der Krebsforschung. Außerdem sind die Forschungsergebnisse für Züchter von herausragender Bedeutung.
Die Forschungsarbeit dieses Gemeinschaftsprojektes wurde finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Schwedischen Forschungsrat, VINNOVA, dem China Scholarship Council (CSC), dem englischen Forschungsrat für Biotechnology und Biologische Wissenschaften (BBSRC) sowie Südzucker. Weitere Projektpartner waren Syngenta (in Landskrona, Schweden), SESVanderHave (in Tienen, Belgien), Strube (in Söllingen, Deutschland), KWS (in Einbeck, Deutschland), Broom’s Barn (Bury St. Edmunds, England), das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin und die Universität Bielefeld.