Blutdruckmedikament schützt vor frühem Nierenversagen
In Deutschland leben etwa 5.000 Menschen in 1.000 Familien mit Alport-Syndrom. Ursache sind verschiedene Veränderungen, Mutationen, auf einem Gen für das Typ-IV-Kollagen. Dieses Bindegewebseiweiß ist unter anderem im Innenohr, in der Augenlinse und in den Nieren vorhanden. Menschen mit Alport-Syndrom leiden an einer Innenohrschwerhörigkeit, Sehstörungen und einer fortschreitenden Nierenerkrankung. Mit durchschnittlich 22 Jahren sind sie – für den Rest ihres Lebens – auf wöchentliche Blutwäschen durch Dialyse angewiesen. Etwa einer von 100 Dialysepatienten in Deutschland hat ein Alport-Syndrom – viele ohne davon zu wissen.
In einer früheren Studie hatte Professor Gross dargestellt, wie genau sich die Schäden an den Nieren entwickeln: Die Mutation verändert den Aufbau einer Membran in den Filterkörperchen der Nieren. Beim Gesunden filtern etwa eine Million dieser Glomeruli Schadstoffe aus dem Blut. Patienten mit Alport-Syndrom dagegen verlieren über die Nieren Eiweiß, Blut tritt in den Urin über. Die Arbeiten von Gross legten nahe, dass ACE-Hemmer den Nierenschaden begrenzen. Viele Menschen mit Alport-Syndrom behandeln damit ihren Bluthochdruck.
Seit 2006 sammelt der Internist und Nierenexperte Gross deshalb in einem Europäischen Register Daten von Familien mit Alport-Syndrom aus ganz Europa. In der ersten ausgezeichneten Studie untersuchte er durch Vergleiche von Eltern und Kindern den Einfluss von blutdrucksenkenden ACE-Hemmern. Demnach verzögert ein früher Beginn der Hochdruck-Behandlung den Beginn der Dialyse vom 22. auf das 40. Lebensjahr.
Viele Menschen haben neben dem mutierten Alport-Gen auch ein gesundes Gen. Sie übertragen die Anlage zwar, diese prägt sich jedoch nicht in der Form aus. Die Überträger galten deshalb bisher als gesund. In der zweiten Studie konnte Professor Gross jedoch zeigen, dass auch sie im höheren Lebensalter ein Nierenversagen entwickeln können. Und auch bei ihnen kann die Einnahme von ACE-Hemmern das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Experten schätzen, dass 0,5 bis 1 Prozent aller Menschen Träger einer Alport-Mutation sind.
Nach Ansicht der Juroren der Deutschen Stiftung Innere Medizin „belegen die beiden Studien überzeugend den Stellenwert einer medikamentösen Prävention beim Alport-Syndrom“, sagt DGIM-Generalsekretär Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch aus Kiel. Die Untersuchungen seien zudem von allgemein-internistischer Bedeutung, so die Jury. Denn sie zeigen, dass tendenziell die gleichen Aussagen auch für die vielen Merkmalsträger mit nur einem kranken Gen zutreffen.
Originalveröffentlichung
Gross, O, et al.: Early angiotensin-converting enzyme inhibition in Alport syndrome delays renal failure and improves life expectancy.; Kidney Int. 2012 Mar;81(5):494–501.
Gross, O et a.l: Incidence of renal failure and nephroprotection by RAAS inhibition in heterozygous carriers of X-chromosomal and autosomal recessive Alport mutations. Kidney Int. 2012 Jan 11.
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