Medizin mit Lichtschalter

Chemiker der Uni Jena und INNOVENT e. V. entwickeln lichtschaltbaren Wirkstoffträger

29.03.2012 - Deutschland

Stickstoffmonoxid, chemisch kurz NO, galt lange Zeit als giftig und umweltschädlich. Doch in den letzten 20 Jahren entpuppte sich das flüchtige Gas als ein wichtiger Botenstoff in beinahe allen Organismen: So spielt NO beispielsweise bei der Regulation des Blutdrucks, der Immunantwort oder bei der Wundheilung eine zentrale Rolle. „Damit wird NO auch zunehmend als Wirkstoff zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen interessant“, sagt Prof. Dr. Alexander Schiller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Allerdings gibt es bisher wenig praktikable Darreichungsformen, die NO gezielt an die Wirkorte im menschlichen Körper transportieren“, erläutert der Chemiker und Carl-Zeiss-Stiftungs-Juniorprofessor.

Jan-Peter Kasper/FSU

Prof. Dr. Alexander Schiller zeigt ein Stück des neuartigen Nanofaser-Vlieses.

Jan-Peter Kasper/FSU

Wirkstoffträger auf Nanofaserbasis, der nach UV-Bestrahlung Stickstoffmonoxid abgibt.

Jan-Peter Kasper/FSU
Jan-Peter Kasper/FSU

Eine innovative Lösung dieses Problems hat das Team um Prof. Schiller jetzt vorgelegt und in der Fachzeitschrift „Journal of Materials Chemistry“ veröffentlicht. Darin stellen die Chemiker der Uni Jena und des Forschungsbereichs Biomaterialien von INNOVENT e. V. unter dem Dach des Jena Center for Soft Matter (JCSM) einen Wirkstoffträger auf Nanofaserbasis vor, der NO nach einer Bestrahlung mit UV-A-Licht freisetzt. Grundlage dafür ist ein neuer, photolabiler Ruthenium-Nitrosyl-Komplex, der in Polylaktid-Nanofasern eingebettet ist. Die nur einen halben Mikrometer feinen Fasern bilden ein ungewobenes Vlies, welches NO ins wässrige Medium abgibt. „Das wird allerdings erst dann freigesetzt, wenn die Fasern am gewünschten Wirkort mit UV-A-Licht bestrahlt werden“, sagt Prof. Schiller.

Damit erfülle die Nanofaser eine wichtige Voraussetzung als potenzieller Wirkstoffträger und biete gegenüber bisherigen systemischen NO-Wirkstoffen, die NO im gesamten Körper verteilen, ein ergänzendes Einsatzspektrum. Die Vliese können gezielt an Körperoberflächen wie der Haut oder in der Luft- und Speiseröhre eingesetzt werden. Wie die Autoren der aktuellen Studie zeigen konnten, ist die Nanofaser aus Polylaktid für menschliche Zellen gut verträglich und daher prinzipiell für einen Einsatz in der Medizin geeignet.

Mit ihrer Neuentwicklung präsentieren die Jenaer Chemiker erstmals eine Nanofaser als Träger für einen solchen lichtschaltbaren Metallkomplex. „Bisherige Ansätze haben sich vor allem auf chemisch gebundene Substanzen in einer polymeren Matrix als Wirkstoffträger konzentriert“, unterstreicht Prof. Schiller. Doch diese Systeme haben den Nachteil, dass sie sehr aufwendig in der Herstellung sind. Die Einbettung von NO-abgebenden Substanzen in Nanofaser-Vliese dagegen bietet mehrere Vorteile: Die Produktion ist einfach und in größeren Mengen möglich. Und Nanofasern besitzen eine sehr große Oberfläche für eine effiziente Wechselwirkung mit Licht.

Ihre Erkenntnisse wollen die Chemiker auch in die kürzlich eingerichtete DFG-Forschergruppe „Häm und Hämabbauprodukte“ der Universität Jena einbringen. „Kohlenmonoxid als Abbauprodukt des Blutfarbstoffs im menschlichen Körper ist Stickstoffmonoxid sehr ähnlich“, so Prof. Schiller. Die Vliese, deren Herstellung und Einsatzmöglichkeiten bereits zum Patent angemeldet sind, bieten auch ein großes Potenzial für die gezielte Freisetzung von Kohlenmonoxid, um seine medizinische Wirkung zu erforschen. Neben der Pharmazie könnten die Nanofasern künftig aber auch in Sensoren oder Katalysatoren Anwendung finden.

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