Weniger Tierversuche durch Nanosensoren

10.01.2012 - Deutschland

Experimente an Tieren sind seit Jahrzehnten in der Kritik. Eine Trendwende ist dennoch nicht in Sicht. Die Zahl der Tests mit Labortieren stieg sogar. Forscher haben jetzt eine neue Alternative gefunden: Mit Hilfe von Sensor-Nanopartikeln wollen sie die Anzahl der Versuche reduzieren.

© Fraunhofer EMFT

Nanosensoren zeigen durch das gelbe Signal im Überlagerungsbild (rechts), dass die Zellen aktiv sind. Wären sie in einem schlechten Zustand , wären sie deutlich röter. Mitte: Signal des Indikatorfarbstoffs. Links: Signal des Referenzfarbstoffs.

Unzählige Mäuse, Ratten und Kaninchen sterben jährlich für die Wissenschaft – Tendenz steigend. Verwendeten deutsche Labors im Jahr 2005 noch etwa 2,41 Millionen Tiere für Forschungszwecke, so waren es 2009 bereits 2,79 Millionen. Ein Drittel diente der biologischen Grundlagenforschung, ein Großteil davon wurde für die Erforschung von Krankheiten und für die Entwicklung medizinischer Produkte und Geräte benötigt. Die Menschen fordern zwar sichere Medikamente und verträgliche Therapien, doch Tierversuche will kaum jemand in Kauf nehmen. Wissenschaftler suchen daher seit Jahren nach Ersatzmethoden. Eine Alternative haben jetzt die Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT in München gefunden: Mit neuartigen Nanosensoren wollen sie die Anzahl der Tierexperimente verringern. »Wir testen Chemikalien quasi im Reagenzglas auf ihre Wirksamkeit und ihr Risikopotenzial. Hierfür setzen wir lebende Zellen, die aus menschlichem und tierischem Gewebe isoliert und in Zellkulturen gezüchtet wurden, der zu untersuchenden Substanz aus«, erläutert Dr. Jennifer Schmidt vom EMFT. Ist der Wirkstoff in einer bestimmten Konzentration giftig für die Zelle, stirbt sie. Diese Änderung des »Wohlbefindens« können Dr. Schmidt und ihr Team mit ihren Sensor-Nanopartikeln sichtbar machen.

Gesunde Zellen speichern ihre Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP). Je mehr ATP vorhanden ist, desto aktiver ist die kleinste lebende Einheit. Wird diese stark geschädigt, verringert sie schlussendlich ihre Stoffwechselaktivität, speichert weniger Energie und produziert infolgedessen auch weniger ATP. »Mit unseren Nanosensoren können wir das Adenosintriphosphat detektieren und feststellen, in welchem Gesundheitszustand sich Zellen befinden. Dies wiederum lässt Rückschlüsse auf den zellschädigenden Einfluss von Medikamenten oder Chemikalien zu«, sagt Dr. Schmidt.

Damit die Nanopartikel das ATP erkennen, statten die Forscher sie mit zwei Fluoreszenzfarbstoffen aus: einem grünen Indikatorfarbstoff, der sensibel auf ATP reagiert, und einem roten Referenzfarbstoff, dessen Farbe sich nicht verändert. Im nächsten Schritt schleusen die Wissenschaftler die Partikel in die lebenden Zellen ein und beobachten sie unter dem Fluoreszenzmikroskop. In Abhängigkeit der Menge des vorhandenen ATPs leuchten die Partikel unterschiedlich stark – je gelber das Signal im Überlagerungsbild erscheint, desto aktiver ist die Zelle. Wäre diese in einem schlechten Zustand, würde das Überlagerungsbild deutlich röter ausfallen. »Werden beispielsweise Krebszellen verwendet, lässt sich zukünftig die Wirksamkeit neu entwickelter Chemotherapeutika testen. Detektieren wir mit den Nanosensoren eine geringe ATP-Konzentration in den Zellen, wissen wir, dass das neue Medikament die Tumorzellen in ihrem Wachstum hemmt oder gar abtötet«, so die Forscherin. »Die vielversprechendsten Medikamente können dann weiter untersucht werden.«

Die Nanopartikel der EMFT-Forscher genügen hohen Ansprüchen: Sie sind nicht giftig für Zellen, passieren problemlos die Zellmembran und lassen sich sogar gezielt dorthin transportieren, wo die Testsubstanz detektiert werden soll. Doch bevor das Verfahren angewendet werden kann, müssen die Zulassungsbehörden es anerkennen – ein langer Weg durch die Genehmigungsinstanzen steht den Experten vom EMFT bevor. Das hält die Forscher nicht davon ab, die Technologie inzwischen weiterzuentwickeln und flexibel einzusetzen: beispielsweise, um die Qualität und Genießbarkeit von verpacktem Fleisch zu ermitteln. Hierfür haben sie Nanosensoren entwickelt, die die Konzentration von Sauerstoff und toxischen Aminen bestimmen können.

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