Schutz vor schwerer Malaria geklärt

Defekter Blutfarbstoff blockiert Aufbau eines wichtigen Transportsystems des Malariaparasiten in infizierten Blutkörperchen

16.11.2011 - Deutschland

Warum bekommen Menschen, die an einer erblichen Veränderung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin leiden, wie bei der in Afrika häufigen Sichelzellanämie, keine schwere Malaria?

Wissenschaftler um Professor Dr. Michael Lanzer vom Department für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg haben dieses Rätsel gelöst: Ein Abbauprodukt des veränderten Hämoglobins schützt vor einem schweren Verlauf der Malaria. Innerhalb der vom Malaria-Erreger infizierten roten Blutkörperchen blockiert es den Aufbau eines Transportsystems, über das spezielle Haftproteine des Erregers an die Außenseite der Blutzellen gelangen. So bleiben die befallenen Blutzellen nicht – wie für diese Malariaform typisch – an den Gefäßwänden hängen. Gefährliche Durchblutungsstörungen und neurologische Komplikationen bleiben aus.

In den 1940er Jahren haben Forscher bereits entdeckt, dass die Sichelzellenanämie mit ihrer charakteristischen Blutveränderung in bestimmten Bevölkerungsgruppen Afrikas besonders häufig vorkam, die außerdem die normalerweise besonders schwer verlaufende „Malaria tropica“ überlebten. Hierbei gelangen die Malaria-Parasiten (Plasmodien) beim Stich infizierter Anopheles-Mücken in den Menschen, wo sie sich zunächst in den Leberzellen vermehren und dann die roten Blutkörperchen (Erythrocyten) befallen. Im Inneren der Erythrocyten teilen sie sich erneut und zerstören diese schließlich. Das nahezu gleichzeitige Aufplatzen aller befallenen Blutzellen verursacht die charakteristischen Beschwerden wie Fieberschübe und Blutarmut.

Haftproteine auf roten Blutkörperchen verursachen Durchblutungsstörungen

Bei der Malaria tropica kommt es zudem häufig zu neurologischen Komplikationen wie Lähmungen, Krämpfen, Koma sowie schweren Gehirnschäden. Grund dafür ist eine Eigenart des Erregers Plasmodium falciparum: Er bildet spezielle Haftproteine, die zur Zelloberfläche der befallenen Blutkörperchen gelangen. Dort sorgen sie dafür, dass die Erythrocyten an Gefäßwänden haften bleiben – sie können damit nicht in der Milz als beschädigt erkannt und aus dem Verkehr gezogen werden. Der Schutzmechanismus des Parasiten hat zur Folge, dass sich kleinere Gefäße verschließen, entzünden und z.B. Teile des Nervensystems nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.

Diese Komplikationen treten bei Menschen mit veränderten Varianten des Hämoglobins abgeschwächt oder gar nicht auf. „Auf der Zelloberfläche befallener Erythrocyten mit verändertem Hämoglobin finden sich deutlich weniger Haftproteine des Parasiten als bei normalen roten Blutkörperchen“, erklärt Professor Lanzer, Direktor des Instituts für Parasitologie. „Wir haben daher den Transportweg innerhalb der Wirtszelle genauer untersucht.“ Das Team verglich dazu Blutzellen mit normalem Hämoglobin und zwei Hämoglobinvarianten (Hämoglobin S und Hämoglobin C), die bei rund einem Fünftel der afrikanischen Bevölkerung in Malaria-Gebieten vorkommen.

Transportsystem des Malaria-Erregers erstmals sichtbar gemacht

Dabei entdeckten die Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender Mikroskopieverfahren wie der Kryo-Elektronentomographie einen neuen Transportmechanismus: Der Parasit verwendet ein bestimmtes Eiweiß (Aktin) aus dem Zellskelett des Erythrocyten für ein eigenes Wegenetz. „Es bildet sich ein vollständig neues Gebilde, das keine Ähnlichkeit mit dem übrigen Zellskelett hat“, erklärt Dr. Marek Cyrklaff, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Parasitologie und Erstautor des Artikels. „Über diese Aktinfasern gelangen die Vesikel mit den Haftproteinen vom Parasiten direkt zur Zelloberfläche des roten Blutkörperchens.“

Anders bei Erythrocyten mit den beiden Hämoglobinvarianten: Hier finden sich nur kurze Aktin-Ästchen, ein gezielter Transport zur Oberfläche ist nicht möglich. „Das gesamte Transportsystem des Malaria-Erregers ist in diesen Blutzellen degeneriert“, so Cyrclaff. Labortests ergaben, dass dafür nicht die Hämoglobine selbst, sondern ein Abbauprodukt, das Ferryl-Hämoglobin, verantwortlich ist. Dabei handelt es sich um irreversibel geschädigtes, chemisch verändertes Hämoglobin, das keinen Sauerstoff mehr binden kann. Die Hämoglobine S und C sind deutlich instabiler als normales Hämoglobin; in Blutzellen mit diesen Varianten findet sich daher zehnmal mehr Ferryl-Hämoglobin als in anderen Erythrocyten. Diese hohe Konzentration destabilisiert die Bindungen des Aktingeflechts – es zerfällt.

„Mit Hilfe dieser Ergebnisse haben wir erstmals einen molekularen Mechanismus beschrieben, der die Schutzwirkung dieser Hämoglobinvarianten gegen Malaria erklärt“, sagt Professor Lanzer.

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