Die Sphinx kommt heute aus dem Gen-Labor
Der Ethikrat will Lücken im Embryonenschutzgesetz schließen
(dpa) Wer kennt nicht die Sphinx, den tanzenden Satyr, Kentauren, Chimären oder Nixen? Mischwesen - halb Mensch, halb Tier - bevölkern die antike Mythologie, Kunst und Fabeln bis hin zu Science-Fiction-Romanen der Neuzeit. Doch was bisher nur der Fantasie entsprang, kann heute in den Laborküchen der biomedizinischen Forschung schnell Realität werden. Die biologische Artgrenze zwischen Mensch und Tier wird durch neue gentechnische Experimente immer mehr infrage gestellt.
Zwei Jahren brütete eine Arbeitsgruppe des Deutschen Ethikrates über den Umgang mit «Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung». «Es ging uns nicht darum, ein Horrorszenario zu entwerfen, über das, was weltweit in den Laboren geschieht», versichert der Rechtswissenschaftler Jochen Taupitz. Denn vieles gilt zunächst als harmlos und als ethisch unbedenklich. So werden beispielsweise menschliche Gene schon seit den 80-er Jahren in Mäuse eingepflanzt, um am «Modellorganismus Maus» die Entwicklung menschlicher Krankheiten zu beobachten.
Aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven-Vorläuferzellen werden in das Hirn von Versuchstieren eingepflanzt, um Krankheiten wie Alzheimer-Demenz und Parkinson zu erforschen und später vielleicht auch einmal heilen oder lindern zu können. Doch was ist, wenn es sich bei diesen Versuchstieren um sogenannte Primate wie Menschenaffen oder Schimpansen handelt? «Wie ist vor diesem Hintergrund ein Menschenaffe zu beurteilen, der plötzlich menschliche Verhaltenszüge zeigt?», fragen die Experten des Ethikrates in ihrer Expertise.
Rein biologisch betrachtet gehört auch der Mensch zur Tierwelt. Doch das Selbstverständnis des Menschen ist von der Vorstellung «einer klaren Grenzziehung zwischen Mensch und Tier geprägt», sagt der Arbeitsgruppen-Sprecher und frühere SPD-Forschungs-Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen. «Von seinem Selbstbild her nimmt der Mensch schließlich eine Sonderrolle in der Schöpfung ein - als Träger der Menschenrechte.»
Der Ethikrat mit 26 Mitgliedern vereint Mediziner, Naturwissenschaftler, Theologen, Juristen, Philosophen und einige ehemalige Politiker. Entsprechend unterschiedlich fallen häufig die Herangehensweisen an Problemen wie auch die Argumentationslinien der einzelnen Mitglieder aus. Catenhusen: «Was uns aber alle eint ist die klare Grenzziehung, dass es gar nicht erst zur Erzeugung von realen Mensch-Tier-Mischwesen kommt.» Wenn es heute technisch möglich ist, Teile des menschlichen Hirns in Tiere zu übertragen, «dann ist neues Nachdenken angesagt».
Der Ethikrat zeigt in seiner Stellungnahme Schwachstellen des strengen deutschen Embryonenschutzgesetzes auf und fordert von der Politik entsprechende Nachbesserungen. So ist es zwar heute schon verboten, menschliche Embryonen auf ein Tier zu übertragen und damit Chimären oder Hybride zu erzeugen. Doch umgekehrt fehlt im Gesetz ein Verbot der Übertragung tierischer Embryonen auf den Menschen wie auch das Verbot der Einbringung tierischen Materials in den menschlichen Erbgang. Auf dem Reißbrett der Genforscher ist das aber heute schon längst möglich.
Eine Anhörung des Rates mit internationalen Experten zeigte, dass man in der anglo-amerikanischen Forscherwelt viel legerer mit heiklen ethischen Fragen umgeht als in Deutschland oder Österreich. Taupitz warnt denn auch vor zu viel Misstrauen und Eingriffe in die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit. Der Staat brauche für einen Eingriff triftige Gründe. Auch Transparenz sei «kein Selbstzweck».
Mit seiner Stellungnahme zu Mensch-Tier-Mischwesen hat sich der Ethikrat überwiegend mit den bekannten herrkömmlichen Methoden der Gentechnik befasst. Dabei tickt inzwischen mit dem Synthetischen Biologie eine neue forschungspolitische Zeitbombe, die allen bisherigen ethischen Streit um die embryonale Stammzellenforschung weit in den Schatten stellen könnte. Kritiker dieser neuesten Entwicklung der Biologie fürchten durch das Zusammenspiel von Organischer Chemie, Ingenieurwissenschaften, Nanotechnik und Informationstechnik gar einen Eingriff des Menschen in die Schöpfung.
Denn mit der Synthetischen Biologie lassen sich neue Lebensformen schaffen, die es bisher in der Natur nicht gibt. Die Ulk-Vision von der «eierlegenden Wollmilchsau» könnte in den Computer-Simulationen der Forscher Realität werden. Nach dem Baukasten-Prinzip werden Bestandteile eines Organismus' entfernt und durch andere ersetzt - so dass künstliches Leben entstehen kann. Man kann damit Mikroorganismen schaffen - etwa zur erleichterten Produktion von Arzneimitteln oder Impfstoffen - aber eben auch Versuchstiere.