Forscher entdecken Überlebensstrategie von Krebsstammzellen

Unauffällig und gut versteckt

16.09.2011 - Deutschland

Tumoren bestehen nicht nur aus gewöhnlichen Krebszellen, sondern auch aus wenigen, aber gefährlichen Krebsstammzellen. Diese sind dafür verantwortlich, dass der Krebs manchmal viele Jahre nach der Behandlung zurückkehren kann. Denn herkömmliche Therapien können gegen die Krebsstammzellen nur wenig ausrichten. Jetzt haben Gießener Wissenschaftler eine Möglichkeit entdeckt, solche Zellen bei Hirntumoren gezielt anzugreifen: Sie identifizierten einen Eiweiß-Komplex, der die Aktivität der Krebsstammzellen des Glioblastoms steuert. Damit zeigen die Forscher einen wichtigen Ansatzpunkt für neue Therapiemöglichkeiten gegen Krebs auf. Die Deutsche Krebshilfe hat das Projekt mit 390.000 Euro gefördert.

Seit einigen Jahren sind Tumorstammzellen in den Blickpunkt der Krebsforscher gerückt. Denn sie sind ein entscheidender Gegner im Kampf gegen Krebs. Im Unterschied zu normalen Krebszellen überleben sie den Angriff durch Medikamente und Strahlen oft unbeschädigt. Der Grund: Sie haben sich in Tumorregionen angesiedelt, die kaum von den herkömmlichen Behandlungsmethoden erreicht werden können. Zudem befinden sich Krebsstammzellen meist in einer Art Ruhezustand – Krebsmedikamente greifen jedoch nur aktive, sich teilende Zellen an.

Selbst wenn der Tumor zerstört wird, verharren die Krebsstammzellen Monate oder gar Jahre in diesem Schlafzustand. Aus bisher unbekannten Gründen erwachen sie irgendwann wieder, teilen sich und wachsen erneut zu einem aggressiven Tumor heran. In vielen Fällen kann die Krebserkrankung dann kaum mehr erfolgreich behandelt werden.

Die Wissenschaftler um Professor Dr. Till Acker, Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Gießen, haben eine wichtige Überlebensstrategie der Stammzellen entdeckt: Sobald der Tumor keinen Sauerstoff mehr erhält, werden die Stammzellen des Glioblastoms aktiv: „Dies ist ein Schutzmechanismus – Sauerstoffmangel schaltet ein Überlebensprogramm ein, das dem Tumor erlaubt, aggressiver zu wachsen und sich vor therapeutischen Eingriffen zu schützen. Die Aktivierung von Krebsstammzellen ist ein wichtiger Teil dieses Programms“, erläutert Acker.

Die Reaktion der Krebszellen auf Sauerstoffmangel wird durch ein komplexes Netzwerk zellulärer Vorgänge gesteuert. Eine bedeutende Rolle spielt dabei der Eiweiß-Komplex mit dem wissenschaftlichen Namen HIF-2. Dieser fungiert als eine Art Schaltzentrale, die Informationen über die sauerstoffarme Tumor-Umgebung an die Krebsstammzellen weiterleitet und diese aus ihrem Ruhezustand aufweckt. „Dieser bisher unbekannte Schlüsselmechanismus stellt möglicherweise ein entscheidendes therapeutisches Ziel zur Blockade von Krebsstammzellen dar“, erklärt Acker. „Denn schaltet man HIF-2 aus, können die Stammzellen keine neuen Krebszellen bilden.“ Zukünftig könnte damit die Effektivität von Therapien gesteigert und Rückfälle verhindert werden.

Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe unterstreicht: „Die Erforschung von Krebsstammzellen eröffnet Möglichkeiten, neue Strategien gegen Krebs zu entwickeln. Daher fördert die Deutsche Krebshilfe – neben dem Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe von Professor Acker – in einem nationalen wissenschaftlichen Verbundprojekt bundesweit mehrere Forschungsvorhaben mit dem Ziel, diese Zellen in verschiedenen Krebsarten nachzuweisen und gezielt zu zerstören.“

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