Braunschweiger Wissenschaftler erfolgreich bei der Erzeugung von Antikörpern ohne Tierversuche

Neue und bessere Analysemöglichkeiten für das menschliche Genom

18.05.2011 - Deutschland

Antikörper, die eine Schlüsselrolle bei der Erforschung von biologischen und medizinischen Fragestellungen innehaben, wird man in Zukunft kostengünstig und ohne den Einsatz von Tierversuchen in großer Zahl herstellen können. Dies hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern in der ersten systematischen Studie ihrer Art zu alternativen Herstellungsmethoden nachgewiesen. Die Abteilung von Prof. Stefan Dübel an der Technischen Universität Braunschweig war maßgeblich an der Studie beteiligt, die soeben in der führenden biomedizinischen Zeitschrift Nature Methods erschien.

Antikörper sind Schlüsselreagenzien für die zellbiologische und biomedizinische Forschung. Sie können auch als Medikamente eingesetzt werden. Für die systematische Untersuchung aller menschlichen Gene benötigen Wissenschaftler jedoch mindestens 30.000 verschiedene Antikörper. Ihre Herstellung war bisher von Tierversuchen abhängig.

“Die Bedeutung von qualitativ hochwertigen Antikörpern für die Forschung ist enorm, und unser heutiges Verständnis des Immunsystems und weitere Wissenschaftsgebiete wurden erst durch die Verfügbarkeit von Antikörpern erschlossen. Auch die stetig wachsende Zahl von Medikamenten auf der Basis von Antikörpern belegt ihre Bedeutung”, sagte Prof. Stefan Dübel, Leiter der Abteilung Biotechnologie an der TU Braunschweig, und Koautor der Studie. “Für sehr viele menschliche Proteine (Eiweiße) fehlen uns jedoch noch solche Antikörper. Wir arbeiten an der Entwicklung von alternativen Methoden, die die Erzeugung stark beschleunigen und vereinfachen, und die dabei völlig auf Versuchstiere verzichten, welche bei allen herkömmlichen Methoden benötigt werden.”

“Das Potenzial des Humangenom-Projektes ist noch lange nicht ausgeschöpft, da uns bisher die notwendigen Forschungswerkzeuge fehlen,” kommentierte Dr. Aled Edwards. Er ist Direktor und Geschäftsführer des Structural Genomics Consortiums und Professor an der Universität von Toronto. “Unser Team hat nun die Weichen dafür gestellt, dass sich die Zahl und Qualität der Antikörper dramatisch verbessern. Dies ist ein bedeutender Fortschritt.”

Insbesondere die von Prof. Dübel miterfundene Technologie des Antikörper-Phagendisplay erwies sich dabei als erfolgreich. Hier werden Antikörper gänzlich ohne Immunisierung von Versuchstieren hergestellt. Die Forscher führen stattdessen alle notwendigen Schritte zur Herstellung eines neuen Antikörpers in Bakterien im Reagenzglas durch. Im Rahmen des internationalen Konsortiums aus Kanada, den USA, Schweden, Australien und England wurden die so gewonnen Antikörper detailliert getestet und die Methoden durch systematische Analyse für eine Anwendung in großem Maßstab validiert.

Dafür erzeugten Wissenschaftler des Structural Genomics Consortium Eiweiße, die dann in fünf weiteren Labors zur Antikörperherstellung eingesetzt wurden. Bereits vier der Forschergruppen arbeiteten dabei mit der Methode des Phagendisplay. Tausende verschiedener Antikörper konnten so in sehr kurzer Zeit erzeugt werden und wurden in für die Forschung wichtigen Experimenten getestet. Die dabei entwickelten Kriterien für die Qualitätssicherung können in künftigen Projekten als Standard dienen. Die Studie belegte insbesondere die Eignung der rekombinanten – also im „Reagenzglas“ hergestellten – Antikörpern für Forschungsprojekte. Die dazu notwendige Technologie wurde maßgeblich auch an der TU Braunschweig entwickelt.

Dr. Karen Colwill von der Universität Toronto, die Erstautorin der Studie, hat sich besonders mit der Untersuchung der Qualität der Antikörper beschäftigt hat. Sie bestätigt: “Wir glauben, dass diese Arbeit den Grundstein für zukünftige Studien für die Erzeugung von Forschungsreagenzien im großen Maßstab legt.”

An der Studie nahmen neben der TU Braunschweig Arbeitsgruppen der Universität Toronto (Kanada), der Universität Chicago (USA), der Universiät Cambridge (Großbritannien), dem Karolinska Institut (Schweden), der Monash University (Australien) und dem Königlichen Institut für Technologie (Schweden) teil.

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