Pflanzenhormon Auxin betätigt einen genetischen Schalter

Ein Mechanismus zur Stabilisierung der Entwicklung des pflanzlichen Organismus

15.04.2011 - Deutschland

Bei der Entwicklung von Lebewesen taucht ein Muster immer wieder auf: Ein Signal erscheint vorübergehend, doch die Prozesse, die es anstößt, müssen aufrechterhalten werden – etwa, wenn das Schicksal von Zellen im Embryo festgelegt wird. Im Pflanzenembryo, bei der Entwicklung der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), einer Modellpflanze der Genetik, spielt das Pflanzenhormon Auxin als Signalstoff eine wichtige Rolle. Forscher des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und der Universität Tübingen kannten bereits wichtige Komponenten in der Zelle, durch die Auxin seinen Einfluss ausübt, und manche ihrer Wechselwirkungen. Nun haben sie einige dieser Komponenten zu einem Regulationsnetzwerk zusammengesetzt: Danach kann Auxin bei steigender Konzentration Gene für die normale Entwicklung des Embryos „anschalten“, die ab einem bestimmten Punkt ihre erhöhte Aktivität auch bei sinkender Auxinkonzentration nicht oder nur verzögert wieder einstellen. Ähnliche Schaltmechanismen sind auch aus dem Tierreich bekannt.

© Steffen Lau/MPI für Entwicklungsbiologie

Etwa zwei Tage alter Embryo der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).

Aus einem Pflanzenembryo soll ein Keimling werden und eine Pflanze mit all ihren Organen: Wurzel, Stängel, Blättern und Blüten. Die Grundlagen für diese Entwicklung werden schon in der frühen Embryonalentwicklung gelegt. Das Pflanzenhormon Auxin greift an verschiedenen Stellen als Signalgeber ein. Es war bereits bekannt, dass es zum Beispiel den Abbau eines Inhibitors, eines hemmend wirkenden Elements, fördert, das bestimmte Faktoren daran hindern kann, ihre Zielgene zu aktivieren. In einer frühen Phase der Entwicklung steigt zunächst die Auxinkonzentration in den oben gelegenen Zellen des Embryos, aus denen sich später die oberirdischen Pflanzenteile bilden. Kurz darauf wird das Auxin in die unteren Zellen transportiert. So kompliziert, so gut. Doch die genaue Rolle des Auxins bei der Musterbildung im Embryo ist damit noch nicht klar.

Steffen Lau, Ive De Smet, Martina Kolb und Gerd Jürgens aus der Abteilung Zellbiologie sowie Hans Meinhardt, alle vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen und teilweise auch an der Universität Tübingen tätig, konzentrierten sich bei der Untersuchung der Auxinwirkung zunächst auf ein vereinfachtes System. Statt an Embryonen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) führten sie ihre Experimente dabei mit Ackerschmalwand-Protoplasten durch, lebenden Zellen ohne Zellwand, die eine weniger komplexe Umgebung bieten. Die Versuchsbedingungen lassen sich bei Protoplasten gezielt variieren, die Genaktivität relativ einfach messen. In diesem System testeten die Wissenschaftler die Wirkungen eines genaktivierenden Faktors, der MONOPTEROS heißt, sowie die seines Inhibitors mit dem Namen BODENLOS. Das Ergebnis dieser und weiterer Experimente: Der Faktor MONOPTEROS fördert sowohl seine eigene Herstellung als auch die seines Inhibitors BODENLOS. Sie bilden ein System zweier miteinander verknüpfter Rückkoppelungsschleifen. Insgesamt werden sie von Auxin kontrolliert, das den Abbau des Inhibitors begünstigt.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen haben die Wissenschaftler außerdem Computersimulationen durchgeführt, in denen sie das Regulationsnetzwerk nachgestellt haben. „Alles deutet darauf hin, dass Auxin in dem System sozusagen einen Schalter betätigt“, sagt Steffen Lau. Und das funktioniert so: Bei steigender Auxinkonzentration wird der Inhibitor BODENLOS verstärkt abgebaut, der Faktor MONOPTEROS wird dadurch weniger stark blockiert, und ab einer gewissen Auxinkonzentration wird das MONOPTEROS-BODENLOS-System auf eine höhere Aktivitätsebene gehoben. „Solange in dem angeschalteten System eine bestimmte Auxinkonzentration nicht unterschritten wird, fällt dieses nicht auf das Ausgangsniveau zurück, selbst wenn das meiste Auxin  abtransportiert wird“, erklärt der Wissenschaftler.

Dieser Regelungsmechanismus sei bisher bei der Embryonalentwicklung der Pflanzen noch nicht beschrieben worden, ähnele aber beispielsweise einem Signalweg bei embryonalen Stammzellen der Wirbeltiere. „Ob sich dieser Regelungstyp an weiteren Stellen in der Entwicklung der Ackerschmalwand findet, müsste noch untersucht werden“, sagt Steffen Lau.

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