Telefonterror in der Zelle: Gezielte Kommunikationsstörung lässt Krebsmoleküle verstummen

Oncotyrol-Wissenschaftler suchen zielgerichtete Wirkstoffe, die krebsauslösende Wachstumssignale hemmen

01.12.2010 - Österreich

Kommunikation ist alles - nicht nur zwischen Menschen, sondern auch unter Molekülen. Auf zellulärer Ebene geschieht fast nichts, ohne dass Moleküle „miteinander reden“ und sich „untereinander abstimmen“. Signalübertragung nennt man das Zusammenwirken einer Kaskade von Signalmolekülen, die aneinander binden, einander aktivieren und modifizieren, um schließlich eine Botschaft in den Zellkern, die Schaltzentrale der Zelle, zu bringen. Dort wird dann eine Aktion eingeleitet, zum Beispiel Zellteilung und Wachstum. Sind Wachstumssignale fehlgesteuert, kann es zu überschießendem Zellwachstum kommen und Krebs entsteht. Daher ist es wichtig, Krebssignale einzudämmen. Das Problem: Die Signalmoleküle sind auch an vielen lebenswichtigen Funktionen beteiligt. Was sie gefährlich macht, ist nur der Ort und Zeitpunkt ihrer Aktivität, sowie die Signalstärke, die fehlreguliert ist. Um hier ein-zugreifen, müssen Signalmoleküle zielgerichtet gehemmt werden: nicht überall, sondern nur dort, wo sie wirklich übermäßig präsent sind. Auch muss ihre Aktivität nicht komplett lahmgelegt, sondern auf ein „gesundes Maß“ heruntergeschraubt werden. Dieser Ansatz ist ein Paradebeispiel für zielgerichtete, personalisierte Krebstherapien, die in Oncotyrol entstehen.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Lukas Huber, die nun in die neuen Oncotyrol-Laborflächen am Innrain umsiedelt, beschäftigt sich mit diesem Thema. Huber ist wissenschaftlicher Leiter von Oncotyrol und Direktor des Biozentrums an der Medizinischen Universität Innsbruck. Sein Forschungsthema in Oncotyrol ist die gezielte Hemmung von bestimmten Signalmo-lekülen, den MAP-Kinasen. „Wir erzeugen sozusagen eine gezielte Kommunikationsstörung“, umschreibt es Lukas Huber.

Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die MAP-Kinasen nicht überall, sondern insbesondere an einem Gerüstprotein-Komplex namens p14/MP1 zu blockieren. Dort nämlich ist eine übermäßige Signalweiterleitung durch MAP-Kinasen nach Überzeugung der Wissenschaftler besonders schädlich. Der Proteinkomplex grenzt also das Zielgebiet ein, in dem ein poten-tieller Wirkstoff angreifen soll. Zur Veranschaulichung kann man sich folgendes Beispiel vorstellen: Die Bewohner eines Landes werden von permanenten Werbeanrufen terrorisiert. Das macht die Menschen verrückt und verhindert echte Kommunikation, weil niemand mehr den Hörer abhebt. Um das Problem zu beheben, würde es nicht helfen, das gesamte Telefonnetz abzuschalten, sondern man muss jene Nummern sperren, von denen die Störung ausgeht. Vergleichbar ist die zielgerichtete Hemmung von MAP-Kinase-Signalen am p14/MP1-Komplex.

Huber und sein Team haben auf diesem Weg bereits beachtliche Erfolge erzielt. Sie haben Substanzen, die auf Kinasen wirken, gescreent und zusätzlich in einem Computermodell nach Substanzen gesucht, die an p14/MP1 binden. Bei diesen Tests konnten bereits 19 viel-versprechende Substanzen identifiziert werden. 18 von ihnen zeigten tatsächlich wachs-tumshemmende Wirkung auf Krebszellen. In Zusammenarbeit mit dem ungarischen Firmenpartner Vichem erfolgt nun die weitere Optimierung der Substanzen mit dem Ziel, patentierbare Arzneimittelkandidaten zu entwickeln. Zusätzlich wird nach weiteren Wirkstoffkandidaten gesucht. Parallel dazu wird mit dem Firmenpartner Crelux ein neues Testverfahren angewandt, um neue Substanzen zu finden, die an den Proteinkomplex p14/MP1 binden.

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