Gene sind nicht alles: Wie modifizierte Histon-Proteine Gene regulieren
Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik / Martina Augsburg
Die menschliche Erbsubstanz (DNA) liegt nicht ungeordnet in der Zelle vor. Wie um Spulen ist das zwei Meter lange Molekül um spezielle Proteine (Histone) gewickelt, damit es in den Zellkern mit einem Durchmesser von nur 0,006 Millimetern passt. Den so verpackten Komplex aus DNA und Proteinen nennen Forscher Chromatin. Histone bilden jedoch nicht nur das Gerüst des Chromatins, sondern spielen auch eine essentielle Rolle bei der Entscheidung, welche Gene abgelesen und in Proteine übersetzt werden und welche nicht. Obwohl in einem Organismus alle Zellen die gleichen Gene besitzen, werden diese unterschiedlich abgelesen und es entstehen verschiedene Zelltypen mit jeweils anderer Proteinzusammensetzung. Die Wissenschaft, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt, heißt Epigenetik. Fehler können zu Störungen in der Entwicklung eines Embryos oder zu Krankheiten wie Krebs führen.
Obwohl Histone eine so bedeutende Rolle in der Genregulation spielen, ist der genaue Mechanismus noch nicht im Detail verstanden. Eine wichtige Rolle spielen Veränderungen in der Struktur der Histone: Durch das Anfügen von chemischen Gruppen werden die Histone so modifiziert, dass sie von unveränderten Histonen unterscheidbar sind. Auf diese Weise können sie eine gezielte Funktion an dieser speziellen Stelle im Genom ausführen.
Eine der häufigsten Modifikationen ist die Methylierung, die dazu führt, dass weiter Proteine an die modifizierten Histone binden. So können sie das Ablesen eines Gens erleichtern oder aber verhindern. Obwohl dies schon seit langem bekannt war, war die Identität der daran beteiligten Proteine größtenteils unbekannt. Wissenschaftler um Matthias Mann, Leiter der Forschungsabteilung Proteomics und Signaltransduktion am Max-Planck-Institut für Biochemie, konnten jetzt für die fünf wichtigsten Methylierungen Proteine identifizieren, die an die veränderten Histon-Proteine binden. "Bisher war es extrem schwierig, diese Proteine zu bestimmen", erläutert Christian Eberl, Doktorand am MPIB. "Erst die neuesten Techniken der quantitativen Massenspektrometrie, die in der Abteilung von Matthias Mann entwickelt wurden, machten dies möglich."
Die Ergebnisse der Wissenschaftler bilden die Grundlage für weitere Experimente, die ans Licht bringen sollen, welche Rolle die an die Histone bindenden Proteine genau spielen. "Mit unseren Arbeiten haben wir einen weiteren großen Schritt gemacht, um die vielfachen Mechanismen aufzuklären, durch die Histon-Modifikationen die Genregulation beeinflussen", so Eberl. Da auch bei einigen Krebserkrankungen Veränderungen der Histone sowie Proteine, die an Histone binden, eine Rolle spielen, könnten die Ergebnisse auf lange Sicht auch zum besseren Verständnis dieser Erkrankungen und somit zu neuen Therapieansätzen führen, hoffen die Forscher.
Originalveröffentlichung: M. Vermeulen, H. C. Eberl, F. Matarese, H. Marks, S. Denissov, F. Butter, K. K. Lee, J. V. Olsen, A. A. Hyman, H. G. Stunnenberg and M. Mann; "Quantitative interaction proteomics and genome-wide profiling of epigenetic histone marks and their readers"; Cell, September 17, 2010
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