Forscherteam entschlüsselt Schwamm-Genom
Das Forscherteam kam zu überraschenden Erkenntnissen: Obwohl Schwämme primitiv aussehen und auf der untersten Entwicklungsstufe vielzelliger Lebewesen stehen, unterscheidet sich die Zusammensetzung ihres Erbguts nicht wesentlich von denen höher entwickelter Tiere. Die Wissenschaftler erhoffen sich nun durch das Studium von A. queenslandica tiefere Einsichten darüber, wie die Erbanlagen eines möglichen „universellen Vorfahren“ aller Tiere ausgesehen haben könnten - sozusagen an der Schnittstelle zwischen Schwamm und komplexeren Tieren mit echten Geweben.
Das Sequenzieren des Genoms von A. queenslandica wurde den Forschern allerdings durch einige biologische Besonderheiten erschwert. Zum einen mussten sie eine ausreichende Menge reiner DNA gewinnen. Da Schwämme jedoch häufig aus einer Mischung aus Schwamm- und Bakterienzellen bestehen, haben die Wissenschaftler Embryonen und Larven des Hornkieselschwamms von einem erwachsenen Schwamm isoliert. Im nächsten Schritt wurden die Chromosomen, Molekülketten aus etwa 170 Millionen Nukleotiden, in kleinere Stücke zerbrochen, um sie sequenzieren zu können.
In einem komplexen Verfahren hat Juniorprofessor Jackson vom Courant Forschungszentrum Geobiologie der Universität Göttingen nun eine sogenannte DNA-Bibliothek erstellt. Darin sind die Teile der DNA „archiviert“, die die Bauanleitung für Eiweiße des Schwamms enthalten. Diese Bibliothek ist relativ frei von sogenannter Junk-DNA, deren Funktion bisher unbekannt ist, und erhöht damit die Qualität der Genomsequenz. Prof. Stanke hat ein Computerprogramm entwickelt, das basierend auf einem mathematischen Modell gelernt hat, welche DNA-Abschnitte zu einem Gen gehören. Die so vorhergesagten Eiweißsequenzen wurden dann mit denen anderer Tiere verglichen. Dabei lässt eine signifikante Ähnlichkeit darauf schließen, dass das entsprechende Gen bereits in gemeinsamen Vorfahren einen Vorläufer hatte, von dem die heutigen Gene abstammen.
Indem die Wissenschaftler das Genom von A. queenslandica mit denen anderer Tiere wie einem Wurm, einer Fruchtfliege oder einer Maus verglichen, konnten sie nachvollziehen, wie bestimmte Gene die Entwicklung eines Organismus kontrollieren, sich evolutionär verändert und entwickelt haben. Dabei fand das Forscherteam heraus, dass die „Kern-Bauanleitung“, die die Entwicklung eines komplexen Tieres steuert, auch im Genom eines Schwamms enthalten ist. Dazu zählen wichtige Kennzeichen von Mehrzelligkeit bei Tieren, wie regulierter Zellzyklus und Zellwachstum und der programmierte Zelltod. Viele dieser Gene, die mit dem Aufkommen von Komplexität bei Tieren in Verbindung gebracht werden, sind nach Ansicht der Forscher mit Krebs verknüpft - einer Krankheit gestörter Mehrzelligkeit.
Originalveröffentlichung: Srivastava et al.; "The Amphimedon queenslandica genome and the evolution of animal complexity"; Nature, Volume: 466, Pages: 720-726, 05. August 2010
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