Reparateure der Zelle entlarvt - Max-Planck-Forscher beschleunigen und verfeinern die Suche nach Reparatur-Genen

01.07.2010 - Deutschland

Schadhafte Veränderungen der DNA können fatale Folgen haben. Deshalb gibt es spezielle Reparatur-Gene, die kaputte Stellen des Trägers der Erbinformation schnell wieder kitten. Sind allerdings gerade diese Gene nicht funktionsfähig, kann das oft zu ernsthaften Krankheiten führen. Umso erstaunlicher ist es da, dass es zum Funktionieren dieser Reparateure der Zelle bisher keinen systematischen Überblick gab. Den haben nun Forscher um Frank Buchholz vom Dresdner Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik angeschoben und beschleunigt: In einem genomweiten Screen haben sie gezielt nach Genen gesucht, die an der Behebung von Doppelstrangbrüchen der DNA beteiligt sind. Das Forscherteam erzielte in menschlichen Zellen 61 Treffer: Sie fanden also Gene, die das Kitten von DNA-Doppelstrangbrüchen fördern oder bremsen - darunter auch bisher unbekannte Gene. Frank Buchholz ordnet die Ergebnisse dementsprechend optimistisch ein: "Dieser Datensatz wird die weitere Suche nach Genen, die bei der DNA-Reparatur mitmachen, deutlich beschleunigen und eröffnet damit natürlich auch neue medizinische Anwendungsmöglichkeiten".

Eine der großen neuen Entdeckungen ist das Gen KIAA0415. Ist es ausgeschaltet, reduziert dies die Fähigkeit der Zelle, DNA-Brüche zu reparieren. Detaillierte Studien dieses bisher nicht untersuchten Gens haben gezeigt, dass es mit Genen interagiert, die in Patienten mit der Erbkrankheit Hereditäre Spastische Paraplegie (HSP) mutiert sind. Diese Erkrankung führt zu einer Degeneration des pyramidalen Systems - hier verlaufen wichtige Zellfortsätze von Nervenzellen des Bewegungsapparats. Die Folge: Die Beine von Betroffenen sind in der Bewegung deutlich eingeschränkt bis hin zu vollständiger Lähmung.

Das Dresdner Team schlussfolgerte, dass vielleicht auch Mutationen des Gens KIAA0415 Auslöser dieser Erkrankung sein könnten. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler in Kollaboration mit einem französischen Mediziner-Team um Giovanni Stevanin vom INSERM in Paris Mutationen des KIAA0415-Gens in HSP-Patienten. "Wir schlagen deshalb nun vor, das Gen umzubennen in SPG48, das wäre im Zusammenspiel mit SPG11 und SPG15 und aufgrund der Rolle, die wir ihm jetzt zuschreiben können, der logische Name", so Buchholz. Ist SPG48 nicht funktionsfähig, so eine weitere Beobachtung, können Stoffe, die die DNA schädigen, leichter zuschlagen. Buchholz: "Oder anders gesagt: Wir sehen hier eine deutliche Verknüpfung des Gens SPG48 mit der DNA-Reparatur - mit dieser Aufgabe ist es in Zusammenhang zu bringen, und das hatte man vorher noch nicht so gesehen". Kann SPG48 nicht arbeiten, weil es - wie in HSP-Patienten - mutiert ist, so bleibt auch häufig eine Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen aus. Als Folge sind die Zellen auf lange Sicht nicht lebensfähig und sterben ab. Das untermauert nicht nur die These, dass SPG48 Vorbedingung für eine funktionierende DNA-Reparatur ist, sondern auch einen Zusammenhang zwischen DNA-Reparatur und der Krankheit HSP.

Neues Wissen mit medizinischem Potenzial

Auf lange Sicht sind die neuen Erkenntnisse ein wichtiger Beitrag zu einem besseren Verständnis der Vorgänge, mit denen Zellen defekte DNA wieder instand setzen - sowie zu einem Verständnis von Erkrankungen, die das Ergebnis eines Versagens dieses Vorgangs sind. "Dieses neue Wissen ist jetzt natürlich noch kein Mittel etwa gegen HSP", schränkt Frank Buchholz ein, "aber wir haben nun neue Kandidaten unter der unüberschaubaren Zahl von Genen, die man sich nun sofort genauer anschauen kann". Die Suche nach Genen, die DNA reparieren können, geht weiter - der Dresdner Screen hat das Suchfeld nun aber deutlich eingegrenzt und stellt mit dem aussagekräftigen Datensatz ein Mittel zur Verfügung, mit dem man deutlich schneller arbeiten kann.

Originalveröffentlichung: Mikolaj Slabicki et al.; "A Genome-Scale DNA Repair RNAi Screen Identifies SPG48 as a Novel Gene Associated with Hereditary Spastic Paraplegia"; PLoS Biology, 29. Juni 2010

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