Durchbruch bei der Behandlung von Zystennieren
Die Freiburger Nephrologie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Zystennieren - einer angeborenen Erkrankung, die im Laufe des Lebens die Nieren zerstören kann. Oft werden die Nieren so groß, dass sie entfernt werden müssen. Die Folge ist, dass viele Patienten im Alter von etwa 50 Jahren auf eine Nierenwäsche angewiesen sind, um am Leben zu bleiben. Die Gewissheit, dass dieses Schicksal irgendwann auf jeden Träger dieser Erkrankung zukommt, belastet die Patienten und ihre Angehörigen lebenslang. Durchschnittlich erbt jedes zweite Kind die Erkrankung von seinen Eltern, aber sie kann auch spontan auftreten.
Nun ist der Nephrologie am Universitätsklinikum Freiburg, unter der Leitung von Professor Dr. Gerd Walz, ein erster Durchbruch bei der Behandlung von Zystennieren gelungen. In einer großen Studie konnte gezeigt werden, dass man mit dem Medikament Everolimus, welches sonst in der Nierentransplantation eingesetzt wird, das Wachstum von Nierenzysten verzögern kann. Bei einzelnen Patienten führte das Medikament auch zu einer besseren Nierenfunktion. An der Studie haben sich 24 akademische Zentren in drei Ländern und über 430 Patienten beteiligt.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass es erstmals möglich ist, auch genetische Erkrankungen durch Tabletten zu beeinflussen. Bisher schien nur der Ersatz der Genfunktion möglich. Mit den neuen Befunden wird nun ein Paradigmenwechsel eingeleitet, denn offensichtlich ist es möglich, auch komplexe genetische Erkrankungen mit Medikamenten zu behandeln. Voraussetzung hierfür ist, dass man die pathogenetischen Zusammenhänge ausreichend gut versteht. Hier haben Labore in aller Welt, vor allem aber auch in Freiburg, in jahrzehntelanger Kleinarbeit wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung herausgearbeitet.
„Das sind wirklich gute Nachrichten für die Patientinnen und Patienten, die an dieser Erkrankung leiden, vor allem, wenn sie sich noch in einem frühen Stadium befinden“, so Professor Walz. „Allerdings werden weitere Studien notwendig sein, um den optimalen Einsatz der Medikamente herauszufinden. Denn wie so oft hat auch dieses Medikament nicht nur positive Wirkungen, sondern auch erhebliche Nebenwirkungen. Es ist daher zu früh, das Medikament bedenkenlos und außerhalb von weiteren Studien einzunehmen“, warnt er.
Zu den vielversprechenden Ergebnissen kamen die Freiburger Wissenschaftler nicht über Nacht: Bereits vor einigen Jahren haben sie, zusammen mit Arbeitsgruppen in den USA, herausgefunden, dass die Erkrankung zu verschiedenen Störungen der Signalübertragung in den betroffenen Nierenzellen führt. Schon 2005 konnte die Abteilung mit einer Arbeit im Journal „Nature Genetics“ wesentliche Hinweise für die zellulären Programme liefern, die bei Zystennieren gestört sind. Im Jahr 2006 entschlossen sich die Freiburger Nephrologen dazu, eine europäische Studie zu initiieren, um die Wirksamkeit einer bestimmten Medikamentengruppe, der so genannten mTOR-Inhibitoren, zu testen.
Die Freiburger Nephrologie des Universitätsklinikums Freiburg ist personell so gut aufgestellt, dass sie auch in Zukunft ihren Beitrag an dem Fortschritt leisten wird. Seit fast zwei Jahren verfügt die Abteilung über eine klinische Forschergruppe, in der Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen der Universität zusammenarbeiten, um die Grundlagen der Zystennieren zu verstehen. Zusätzlich beteiligt sich die Abteilung an groß angelegten epidemiologischen Studien, die den genetischen Hintergrund für Nierenerkrankungen und den Verlust der Nierenfunktion verstehen möchten. Erste Erfolge konnten hier ebenfalls verbucht werden, als Dr. Anna Köttgen in einer Arbeit in der Zeitschrift „Nature Genetics“ erste Kandidatengene für ein chronisches Nierenversagen identifizierte. Die junge Wissenschaftlerin bereicherte 2009 das Team der Nephrologen, als sie von der berühmten Johns Hopkins Universität nach Freiburg wechselte.
„Wir haben in Freiburg nach zehnjähriger Aufbauarbeit ein tolles Team zusammenbekommen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an der Fruchtfliege, dem Fadenwurm und an Froschlarven, um die Entstehung von Zystennieren zu verstehen“, berichtet Professor Walz stolz von seiner Mannschaft.
Originalveröffentlichung: New England Journal of Medicine, 26. Juni 2010 (online)