Ist Musikgenuss in den Genen verankert?

11.04.2025
Computer-generated image

Die Fähigkeit Musik zu genießen ist zum Teil vererbbar (Symbolbild).

Hat die Fähigkeit Musik zu genießen eine biologische Grundlage? Eine kürzlich im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt, dass Musikgenuss teilweise vererbbar ist. Ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftler:innen der Max-Planck-Institute für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande, und für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main hat untersucht, wie genetische und umweltbedingte Faktoren unsere Freude am Musikerleben beeinflussen.

Musik spielt eine wichtige Rolle für menschliche Emotionen, soziale Bindungen und den kulturellen Umgang. Doch nicht alle empfinden dies gleichermaßen. Warum genießen manche Menschen Musik zum Beispiel mehr als andere?

„Die Antwort auf diese Frage kann uns einen Einblick in allgemeinere Aspekte des menschlichen Geistes geben – zum Beispiel dahingehend, wie Erfahrungen zu Vergnügen werden“, erklärt Erstautor Giacomo Bignardi vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik. „Wir wollten verstehen, ob genetische Unterschiede zwischen Individuen zu Unterschieden im Musikgenuss führen und was uns diese Unterschiede über die Musikalität im Allgemeinen sagen können.“

Um herauszufinden, ob genetische Faktoren den Musikgenuss oder das Belohnungsempfinden durch Musik beeinflussen, verwendete das Team ein Forschungsdesign, bei dem die Ähnlichkeit zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen verglichen wird: Wenn sich eineiige Zwillinge ähnlicher sind als zweieiige, spielt die Genetik vermutlich eine Rolle. In Zusammenarbeit mit dem Karolinska-Institut in Schweden konnten die Forscher:innen Daten von mehr als 9.000 Zwillingen nutzen, darunter unter anderem Informationen zum Belohnungsempfinden durch Musik sowie zur Fähigkeit, musikalische Merkmale wie Tonhöhe, Melodie und Rhythmus wahrzunehmen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit, Freude an Musik zu empfinden, teilweise vererbt wird: Mit Hilfe des Zwillingsdesigns konnten die Forscher:innen ermitteln, dass die Unterschiede in der schwedischen Stichprobe zu 54 Prozent genetisch bedingt sind. Das Team fand auch heraus, dass die genetischen Einflüsse auf das musikalische Belohnungsempfinden teilweise unabhängig von musikalischen Wahrnehmungsfähigkeiten und dem allgemeinen (nicht-musikalischen) Belohnungsempfinden sind. Das heißt, dass Unterschiede darin, wie lohnend wir persönlich Musikgenuss wahrnehmen, zum Teil auch genetisch bedingt sind und nicht nur durch individuelle Unterschiede in unserem generellen menschlichen Belohnungssystem erklärt werden können. Darüber hinaus entdeckten die Forscher:innen, dass verschiedene Facetten des Musikgenusses teilweise durch unterschiedliche Gene beeinflusst werden, so zum Beispiel die Emotionsregulation, das Tanzen im Takt oder das Musizieren mit anderen.

„Diese Ergebnisse zeichnen ein komplexes Bild. Sie zeigen, dass unsere Freude an Musik nicht ausschließlich von unseren Fähigkeiten abhängt, musikalische Klänge wahrzunehmen oder generell Freude zu empfinden“, berichtet Seniorautorin Miriam Mosing vom MPIEA. „Vielmehr scheint es, als gäbe es spezifische genetische und umweltbedingte Faktoren, die Einfluss auf unser musikalisches Empfinden haben.“

Während die vorliegende Studie auf Daten von schwedischen Zwillingen basiert, hat das MPIEA in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin kürzlich das erste nationale Zwillingsregister in Deutschland mit Namen „Gertrud“ ins Leben gerufen. Ziel dieser Initiative ist es, auch in Deutschland eine umfassende Ressource für die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt zu schaffen, die individuellen Unterschieden zugrunde liegen. Zwillinge, die zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen und an Forschungsstudien teilnehmen möchten, sind herzlich eingeladen, sich auf www.gertrud.info zu registrieren.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Heiß, kalt, heiß, kalt -
das ist PCR!