RNA-Origami: Künstliche Zytoskelette für die Konstruktion synthetischer Zellen

Forscher schaffen Nanoröhrchen, die aus dem natürlichen Biomolekül RNA gefaltet werden

19.03.2025

Mit dem langfristigen Ziel, lebende Zellen aus nicht-lebenden Bausteinen zu erschaffen, arbeitet die synthetische Biologie mit RNA-Origami. Dieses Werkzeug nutzt die Multifunktionalität des natürlichen Biomoleküls RNA, um es zu neuen Bausteinen zu falten, so dass die Proteinsynthese überflüssig wird. Auf dem Weg zur künstlichen Zelle hat ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Kerstin Göpfrich am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg eine wichtige Hürde genommen: Mithilfe dieser neuen Technik des RNA-Origami ist es gelungen, Nanoröhrchen herzustellen, die sich zu Zytoskelett-ähnlichen Strukturen falten. Das Zytoskelett ist ein wesentliches Bauelement von Zellen, das ihnen Stabilität, Form und Beweglichkeit verleiht. Die Forschungsarbeiten bilden die potentielle Basis für komplexere RNA-Maschinerien.

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Symbolbild

Eine wesentliche Herausforderung bei der Konstruktion synthetischer Zellen besteht in der Herstellung von Proteinen, die im Organismus für fast alle biologischen Prozesse verantwortlich sind und damit Leben überhaupt erst ermöglichen. Für natürliche Zellen beschreibt das sogenannte zentrale Dogma der Molekularbiologie, wie die Proteinsynthese durch Transkription und Translation genetischer Information in der Zelle abläuft. Dabei wird DNA in RNA umgeschrieben und dann in funktionale Proteine übersetzt, die sich falten müssen, um ihre korrekte Struktur und damit Funktionalität zu erhalten. „An diesem komplexen Prozess sind allein über 150 Gene beteiligt“, erklärt Prof. Göpfrich, die mit ihrer Forschungsgruppe „Biophysical Engineering of Life“ am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) forscht.

Bei der Frage, wie sich synthetische Zellen ohne die bei lebendigen Zellen unerlässliche Proteinsynthese schaffen lassen, setzen die Arbeiten von Prof. Göpfrich an: Sie nutzt die Technik des RNA-Origami, die auf der Idee basiert, dass genetische Information – zum Beispiel der Bauplan für das Zellgerüst – allein mithilfe von selbstfaltender RNA umgesetzt wird. Dabei wird in einem computergestützten Prozess zunächst eine DNA-Sequenz entworfen. Sie kodiert die Form, die die RNA nach ihrer Faltung annehmen soll. Um sich der gewünschten Struktur anzunähern, müssen passende RNA-Motive ausgewählt und in eine genetische Vorlage übersetzt werden, die anschließend als künstliches Gen synthetisiert wird. An der Umsetzung des darin enthaltenen Bauplans ist die RNA-Polymerase beteiligt. Das Enzym liest die in der Vorlage gespeicherten Informationen ab und bildet das entsprechende RNA-Bauteil. Zuvor eigens entwickelte Algorithmen sorgen dafür, dass die geplante Faltung korrekt erfolgt.

Mithilfe von RNA-Origami ist es der Heidelberger Molekularbiologin mit ihrem Team gelungen, ein wesentliches Bauelement für synthetische Zellen herzustellen – ein künstliches Zytoskelett. Die RNA-Nanoröhrchen mit einer Länge von wenigen Mikrometern bilden dabei ein Netzwerk, das einem natürlichen Zellgerüst ähnelt. Sie sind, so Prof. Göpfrich, ein weiterer Schritt auf dem Weg zu synthetischen Zellen. Getestet haben die Forscherinnen und Forscher das RNA-Origami in einem Lipidvesikel, einem einfachen, in der Biologie vielfach genutzten Zellmodellsystem. Mithilfe von sogenannten RNA-Aptameren konnte das künstliche Zytoskelett an den Zellmembranen verankert werden. Durch gezielt hervorgerufene Mutationen an der genetischen Vorlage – der DNA-Sequenz – war es zudem möglich, die Eigenschaften der RNA-Skelette zu beeinflussen.

„Der Vorteil von RNA-Origami besteht im Gegensatz zu DNA-Origami darin, dass synthetische Zellen ihre Bausteine selbst herstellen können“, betont Kerstin Göpfrich. Nach ihren Worten könnte dies neue Perspektiven für die gerichtete Evolution solcher Zellen eröffnen. Langfristiges Ziel der Forschungsarbeiten ist es, eine vollständige molekulare Maschinerie für RNA-basierte synthetische Zellen zu erschaffen.

Die aktuellen Forschungsarbeiten waren Teil eines vom Europäischen Forschungsrat bewilligten ERC Starting Grant von Prof. Göpfrich. Gefördert wurden sie außerdem im Rahmen des Human Frontier Science Program sowie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das baden-württembergische Wissenschaftsministerium im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder und den Alfried Krupp-Förderpreis. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ veröffentlicht.

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