Innovationen für die Gesundheit: Wenn Molekülspektroskopie auf Laser und Photonik trifft
"Ein rein optisches, minimal invasives und markierungsfreies Diagnoseinstrument könnte einen bedeutenden Fortschritt in der Gesundheitsdiagnostik darstellen..."
Einem Team um den DESY-Wissenschaftler Tim Laarmann ist es gelungen, die „Schwingungs-Fingerabdrücke“ von Glukose-Molekülen in wässriger Lösung mit einem nichtlinearen optischen Verfahren im mittleren Infrarot-Spektralbereich, der so genannten Ultrabreitband-Vibrations-Frequenzsummen-Erzeugung (VSFG), nachzuweisen. Das Herzstück dieser Studie ist ein hochmodernes VSFG-Spektrometer, das bei physiologisch relevanten niedrigen Probenkonzentrationen im Bereich von 10 Millimolar oder etwa 180 Milligramm pro Deziliter wässriger Glukose-Lösung effektiv arbeitet. Die Ergebnisse wurden gerade in der Zeitschrift Optics Express veröffentlicht.
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Künstlerische Darstellung des spektralen Fingerabdrucks mittels Ultrabreitband-Vibrations-Summen-Frequenz Erzeugung (VSFG) bei biologisch relevanter, niedriger Konzentration.
Tim Laarmann
Die nichtlineare Spektroskopie im mittleren Infrarot ist eines von mehreren Verfahren, die Forschende zum Aufspüren von Molekülen einsetzen können. Sie vermisst das niederfrequente Schwingungsspektrum eines Moleküls und zeigt so einen charakteristischen Fingerabdruck einer Substanz. Seit 1999 setzen Forscherinnen und Forscher die VSFG-Spektroskopie ein, um die Schwingungseigenschaften von Glukose im Spektralbereich von 2800 bis 3000 Wellenzahlen zu untersuchen. Jedoch gab es bislang keine einzige veröffentlichte VSFG-Studie über Glukose im niederfrequenten Bereich zwischen 1000 und 1200 Wellenzahlen, obwohl diese sehr gut geeignet ist, um charakteristische Schwingungs-Fingerabdrücke in wässriger Umgebung zu liefern. Insbesondere die Streckungsmoden von Kohlenstoff-Sauerstoff-Bindungen in diesem Spektralbereich sind sehr empfindlich gegenüber der Glukosekonzentration. „Unser Spektrometer hat eine hohe Nachweiswahrscheinlichkeit von 900 bis 1400 Wellenzahlen im Fingerabdruckbereich, was den Aufbau für biologische Anwendungen sehr vielseitig macht“, erklärt Cheng Luo, Doktorand in Laarmanns Gruppe und Erstautor der Studie. Beispielsweise im Gesundheitswesen ist die hohe Empfindlichkeit in diesem breiten Spektralbereich von enormem Vorteil, da mit dieser Technik Moleküle nachgewiesen und identifiziert werden können, die an vielen gesundheitsrelevanten Prozessen beteiligt sind.
DESY und die 2014 gegründete Firma Class 5 Photonics, eine Ausgründung von DESY und dem Helmholtz-Institut Jena, haben gemeinsam eine Schlüsselkomponente dieser Technologie entwickelt: einen maßgeschneiderten OPCPA-Laser (kurz für „Optical Parametric Chirped Pulse Amplification“) im mittleren Infrarot-Spektralbereich, der einen nichtlinearen LiGaS2-Kristall verwendet. „Um das zu erreichen, haben wir unterschiedliche optische Kristalle untersucht und eine neuartige Laserarchitektur mit dem Namen White Dwarf HE DFG-Prototyp entwickelt“, erklärt Robert Riedel, CEO und Mitbegründer von Class 5 Photonics. Das Verbundforschungsprojekt wurde im Rahmen des Programms „PROFI Transfer Plus“ der Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) finanziert. Das innovative Lasersystem erzeugt breitbandige, auf 9 Mikrometer zentrierte Pulse mit einer beeindruckenden Pulsdauer von nur 114 Femtosekunden, einer hohen mittleren Leistung von 245 Milliwatt und einer Pulsenergie von 1,2 Mikrojoule bei einer hohen Repetitionsrate von 200 Kilohertz. Ein solcher Laser war bisher nicht kommerziell verfügbar.
„Die möglichen Anwendungsbereiche dieser Forschung gehen über den Glukose Nachweis hinaus“, sagt Mahesh Namboodiri, Postdoc in Tim Laarmanns Forschungsteam. Namboodiri ist für die Weiterentwicklung der VSFG-Spektroskopie und VSFG-Mikroskopie verantwortlich. Die Forschenden sind davon überzeugt, dass die Möglichkeit, relevante Substanzen in geringen Konzentrationen an komplexen Grenzflächen zu detektieren, neue Wege im Gesundheitswesen eröffnet. „Ein rein optisches, minimal invasives und markierungsfreies Diagnoseinstrument könnte einen bedeutenden Fortschritt in der Gesundheitsdiagnostik darstellen, da es den Zugang zu solchen spezifischen molekularen Informationen in klinischen Anwendungen erleichtert“, erklärt Laarmann, der auch an der Forschung des Clusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ am Exzellenzcluster der Universität Hamburg beteiligt ist. So könnte das Verständnis der molekularen Mechanismen an Grenzflächen beispielsweise bei der Bildung bakterieller Biofilme zu besseren Strategien der Infektionskontrolle führen“, betont Namboodiri. Er hat erfolgreich eine Finanzierung durch das DESY-Generator Programm (DGP) beantragt, um das Konzept und die Anwendung der Technologie zur Marktreife zu bringen.
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