Müllabfuhr der Zellen: Die Rolle eines Enzyms bei der Abfallbeseitigung

Bleibt überflüssige DNA und RNA in den Zellen, können Krankheiten wie Alzheimer und Autoimmunerkrankungen entstehen

27.12.2023
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Symbolbild

Der Müll muss aus dem Haus, sonst wird es ungemütlich, gar gesundheitsgefährdend. Ähnliches gilt in unseren Zellen: Nicht benötigte Proteine oder Erbgutstränge sollten beseitigt werden, sonst kann die Zelle und schließlich der gesamte Organismus krank werden. Man vermutet zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen Alzheimer und Mutationen, die zu Defekten in der zellulären Müllentsorgung führen. Und Versuche mit Mäusen zeigten: Unterdrückt man den Abbau von DNA und RNA, kann das schwere Autoimmunerkrankungen auslösen.

Doch handfestes Wissen fehlt: „Wie genetische Information in Form von DNA und RNA hergestellt wird, ist beim Menschen gut untersucht. Aber es gibt weniger Erkenntnisse darüber, wie nicht benötigte DNA und RNA wieder abgebaut werden“, erklärt Professor Oliver Daumke, Arbeitsgruppenleiter am Max Delbrück Center. Aus diesem Grund hat er zusammen mit Forschenden der Universität Kiel die Müllabfuhr der Zellen genauer analysiert. Im Mittelpunkt stand dabei das für den Abbau verantwortliche Enzym mit dem Kürzel PLD3. Die Forschenden lösten zunächst seine räumliche Struktur über eine Kristallstrukturanalyse auf und konnten bestimmte Abschnitte identifizieren, die an der Aufspaltung von RNA und DNA maßgeblich beteiligt sind. „So konnten wir den Prozess des Abbaus und die krankmachenden Effekte von Mutationen im PLD3-Protein besser verstehen“, sagt Daumke.

Mutationen im PLD3-Gen steigern Alzheimerrisiko

PLD3 gehört zu einer Proteinfamilie von Enzymen, die in menschlichen Zellorganellen – den Lysosomen – zelluläre Fette zerlegt. Für die Herstellung von PLD3 im menschlichen Körper ist das zugehörige Gen mit demselben Namen verantwortlich. „Wir haben uns schon länger mit dem PLD3-Gen beschäftigt, weil es seit einigen Jahren Hinweise darauf gibt, dass Mutationen in diesem Gen bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle spielen“, sagt Professor Markus Damme, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Unsere Arbeiten und die von anderen Forschenden offenbarten dann in den vergangenen Jahren, dass PLD3 offenbar anstelle von Fetten DNA und RNA abbaut“, sagt Damme.

„Wie dies gelingt, war aber unklar“, erklärt Cedric Cappel, Wissenschaftler in Dammes Gruppe und Erstautor der Publikation. „Die Idee war daher, sich die Struktur des Proteins genauer anzusehen – um so vielleicht etwas über die Verbindung zu Alzheimer herauszufinden.“ Cappel stellte also das Protein her und schickte es der Strukturbiologin aus Daumkes Arbeitsgruppe Dr. Yvette Roske, ebenfalls Erstautorin der Veröffentlichung. Ihr gelang es, winzige Kristalle von PLD3 herzustellen. Bestrahlt man diese mit Röntgenstrahlen, entsteht ein Beugungsmuster, mit dem sich die Struktur des Proteins rekonstruieren lässt. So konnte Roske schließlich die Kristallstruktur mit und ohne eine gebundene RNA darstellen und analysieren. „Wir haben herausgefunden, dass sich zwei dieser Proteine zu einem sogenannten Dimer zusammenlagern. Das kennen wir von anderen Enzymen aus dieser Familie nicht“, berichtet sie. Aber weshalb ist das nötig? „Es könnte sein, dass das Protein nur im Doppelpack stabil ist“, vermutet Cappel, „ansonsten wird es wahrscheinlich abgebaut.“

Die Arbeit der beiden Forschungsgruppen liefert den ersten strukturellen Beweis für den DNA- und RNA-Abbau durch PLD3. „Wir können nun erstmalig den ungefähren Reaktionsmechanismus nachvollziehen“, sagt Roske. Darüber hinaus fanden die Forschenden zwei Stellen im Protein, die für dessen Funktion wichtig und mutmaßlich in Alzheimerpatienten verändert sein können – ein erster Hinweis auf einen möglichen krankmachenden Mechanismus.

„Unsere Arbeit liefert eine Landkarte für das Protein“, erklärt Cappel. Zukünftige Studien über PLD3 können diese nutzen, um etwa folgende Fragen zu klären: „Welche Stellen sind für die Funktion von PLD3 notwendig, und was passiert, wenn ich daran etwas ändere?“ Die Forschenden hoffen, dass man so genauer versteht, welche Rolle das Protein bei bestimmten Krankheiten spielt. Und womöglich lässt sich auf Basis dieses Wissens dann korrigierend eingreifen.

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