Neue Robotik-Plattform für beschleunigte Antibiotika-Entwicklung
Leibniz-HKI und Analytik Jena entwickeln Anlage zur automatisierten Testung von Wirkstoff Kandidaten
(c) Anna Schroll/Leibniz-HK
Die Antibiotika-Krise ist eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Zunehmende Resistenzen führen dazu, dass Menschen wieder durch bakterielle Infektionen sterben, die lange als gut behandelbar galten. Gleichzeitig hat sich die Pharmaindustrie weitgehend aus der wenig profitablen Entwicklung neuer Antibiotika zurückgezogen. Ein Hauptgrund dafür ist die mangelnde Rentabilität: Antibiotika werden nur sparsam eingesetzt, zu günstigen Preisen verkauft und haben zudem eine kurze Behandlungsdauer.
Öffentlich geförderte Forschung versucht, diese Lücke zu schließen. „Als Land unterstützen wir gezielt anwendungsnahe Forschung, um die Ergebnisse bis zur Wertschöpfung in Thüringen zu führen“, so Katja Böhler, Staatssekretärin für Forschung, Innovation und Wirtschaftsförderung im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Sie verwies insbesondere auf das Innovations-Dachprogramm „Thüringen MOTIVation“, das alle diesbezüglichen Förderinstrumente bündelt. „Zukunftsorientierte Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft macht Jena und Thüringen zu einem Hightech-Standort mit vielen hochqualifizierten Arbeitsplätzen. Die neue Robotik-Anlage zeigt beispielhaft, wie gut dieses Wechselspiel zwischen öffentlichen und privaten Akteuren bei uns im Land funktioniert.“
„Die Antibiotika-Entwicklung mithilfe von öffentlichen Forschungsgeldern ist eine große Herausforderung, der sich unser Institut stellt“, sagt Pierre Stallforth, stellvertretender Direktor und Projektleiter der neuen Robotik-Plattform am Leibniz-HKI. Gelungen ist dies zuletzt mit dem Tuberkulose-Wirkstoff BTZ-043, der am Leibniz-HKI entdeckt und in Kooperation mit akademischen Partnern und der Industrie weiterentwickelt wurde.
Die neue Robotik-Plattform, die im HKI Biotech Center aufgebaut wurde, soll künftig Experimente schneller und genauer durchführen können, da repetitive Arbeitsschritte immer genau gleich ausgeführt werden. „Die Kombination von Automatisierung, Datenanalyse und innovativen Forschungsansätzen erhöht die Erfolgschancen bei der Identifizierung neuer Antibiotika“, erklärt Luzia Gyr, Leiterin der Anlage.
Die Technologie-Plattform wurde in einer engen Entwicklungszusammenarbeit mit Analytik Jena konzipiert. Wichtigste Anforderung der künftigen Nutzer war eine möglichst hohe Flexibilität der Anlage. „Industrieanlagen sind normalerweise durch einen festgelegten Prozessablauf gekennzeichnet. Hier haben wir eine Plattform, die für die Zukunft gerüstet ist und auf die hohe Variabilität der Forschungsthemen des Instituts und seiner Partner eingehen kann“, erklärt Matthias Fischer, Teamleiter der Automation bei Analytik Jena. Und Lars Böttcher, Vizepräsident für Technologie bei Analytik Jena ergänzt: „Das Projekt war technisch sehr anspruchsvoll, auf Grund der kurzen Wege und der sehr intensiven Abstimmung aller Beteiligten direkt vor Ort jedoch in verhältnismäßig kurzer Zeit realisierbar.“
Der Aufbau der modernen Anlage wurde nur möglich durch umfangreiche öffentliche Förderung. Sie wurde zu großen Teilen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Zwanzig20-Konsortiums InfectControl und seiner Anschlussprojekte finanziert. Weitere Mittel stellte die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Balance of the Microverse sowie das Land Thüringen mit Geldern des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) bereit. Das Gesamtvolumen der Investition beträgt drei Millionen Euro. Zusätzlich fördert der Freistaat Thüringen die gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena beantragte Forschungsgruppe RoboThür mit einer Million Euro und ermöglicht so die Rekrutierung von hochqualifiziertem Personal für die Plattform.
Die neue Robotik-Plattform wird nicht nur den Forschungsgruppen des Leibniz-HKI zur Verfügung stehen, sondern auch der Universität Jena sowie anderen Forschungseinrichtungen und Industriepartnern, mit denen das Institut kooperiert. Nach der soeben erfolgten Inbetriebnahme der Anlage folgt nun zunächst eine Phase des Aufbaus der ersten Testreihen und der Validierung der Ergebnisse, die einige Monate in Anspruch nehmen wird.