Wenn das Herz vorzeitig altert
Wie können wir das Altern verlangsamen? Und wie lassen sich typische Alterserkrankungen verhindern?
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Mutation führt zu Einstülpungen der Zellkernmembran
Um die komplexen Mechanismen aufzudecken, die das Herz durch die Genmutation früher altern lassen, hat Ruping Chen die humane LEMD2-Mutation namens p.L13R sowohl im Maus- als auch im Zellkulturmodell näher untersucht. Erste molekulare und zelluläre Veränderungen am Herzen der Mäuse konnte die Biomedizinerin schon nach wenigen Wochen beobachten. Nach neun Monaten haben die Mäuse schließlich einen klinischen Phänotyp entwickelt, der dem bei jungen Menschen, die diese Mutation tragen, sehr ähnlich ist: Die zunehmende Steifheit begünstigt den fibrotischen Umbau und führt in der Konsequenz zu Herzschwäche und schweren Arrhythmien.
Doch warum altert das Herz durch die Mutation vorzeitig? „Wir haben in elektronenmikroskopischen Aufnahmen des Zellkerns gesehen, dass die Mutation zu Einstülpungen der eigentlich rundlichen Zellkernmembran führt, was wiederum die Funktionen des Zellkerns stört. Es kommt zu Rupturen in der Kernhülle und zur Erschöpfung der zelleigenen Reparaturmechanismen. Die Zellkernmembran wird löchrig und damit kommt es zu DNA Schäden. Die Zelle kann ihre natürlichen Reparaturfunktionen nicht mehr vollständig gewährleisten“, erklärt Ruping Chen.
Gestörter Reparaturmechanismus begünstigt vorzeitige Zellalterung
Zum Hintergrund: Schätzungen zufolge wird die DNA in jeder Zelle unseres Körpers täglich bis zu einer Million Mal geschädigt. Der gesunde Mensch verfügt jedoch über einen guten Reparaturmechanismus, denn unser Genom enthält die Anleitung für sämtliche zellulären Prozesse im Körper, auch für Reparaturen. Das heißt, unsere DNA erkennt die Schäden und repariert sie. Mit zunehmenden Alter, durch Umwelteinflüsse und ungesunde Lebensweisen lassen diese Funktionen jedoch nach, die Schäden mutieren in unserem Genom, der Altersprozess wird beschleunigt, es kommt zu Krankheiten.
„Wir konnten mit unseren Untersuchungen nun Signalwege postulieren, deren Aktivierung eine vorzeitige Zellalterung und damit verbunden Entzündung und Fibrose fördert“, resümiert Brenda Gerull, Leiterin des Departements Kardiovaskuläre Genetik am DZHI. „Letztlich erweitert unsere Arbeit zum LEMD2 mechanistische Erkenntnisse, die auch bei anderen Kardiomyopathien aber auch im natürlichen Alterungsprozess eine Rolle spielen könnten.“ Die Studie, die in Kooperation mit der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg und dem Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg durchgeführt wurde, hat jetzt das Fachjournal Circulation Research veröffentlicht.
Die Untersuchungen von Ruping Chen wurden von der Deutschen Stiftung für Herzforschung und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie finanziell unterstützt, Brenda Gerull erhielt Förderungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 1525 und des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung.
Möglichkeiten für therapeutische Interventionen
In den nächsten Schritten möchten die Wissenschaftlerinnen verschiedene Möglichkeiten der therapeutischen Interventionen testen und hierbei unter anderem ein humanes Modell nutzen, so genannte induzierte pluripotente Stammzellen. Ferner sollen die Aktivierung der Bindegewebszellen, der so genannten Fibroblasten, näher untersucht werden, da sie neben den Herzmuskelzellen, den so genannten Kardiomyozyten eine wichtige Rolle beim Fortschreiten der Erkrankung spielen.
Originalveröffentlichung
Ruping Chen, Simone Buchmann, Amos Kroth, Anahi-Paula Arias-Loza, Michael Kohlhaas, Nicole Wagner, Gianna Grüner, Alexander Nickel, Alexandra Cirnu, Tatjana Williams, Christoph Maack, Süleyman Ergün, Stefan Frantz and Brenda Gerull; Mechanistic Insights of the LEMD2 p.L13R Mutation and Its Role in Cardiomyopathy; Originally published 4 Jan 2023.122.321929 Circulation Research. 2023;132:e43–e58