Fortschritte auf dem Weg zur Therapie geschädigter Hirnzellen: Stützzellen in spezifische Neuronen umgewandelt
Das Team um Magdalena Götz, Leiterin des Instituts für Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum München und Inhaberin des Lehrstuhls für Physiologische Genomik an der Ludwig-Maximilians-Universtität (LMU) München, zeigt in seiner aktuellen Veröffentlichung, wie sich Astroglia gezielt in die zwei Hauptklassen von Neuronen der Gehirnrinde umprogrammieren lassen. Dies gelang durch das selektive Einschleusen einzelner Proteine, die das Ablesen der Erbsubstanz regulieren - so genannte Transkriptionsfaktoren. Während der Transkriptionsfaktor Neurogenin 2 die Bildung von erregenden Neuronen anregt, wandeln sich dieselben Astroglia-Zellen nach Einschleusen des Transkriptionsfaktors Dlx2 in hemmende Neuronen um.
Neurone sind diejenigen Zellen im Gehirn, die die Information übertragen, während die sternförmigen Gliazellen, so genannte Astroglia, als Stützgerüst dienen und am Stoffwechsel beteiligt sind. Zudem sind sie eng verwandt mit radialen Gliazellen, die während der Embryonalentwicklung im Vorderhirn als Vorläufer für die meisten Neuronen fungieren. Tatsächlich behalten manche Gliazellen sogar im erwachsenen Gehirn noch die Fähigkeit, Neuronen zu produzieren - allerdings kommen diese nur in ganz spezifischen Regionen vor.
Noch weiß man nicht genau, was normale Astroglia von radialen Gliazellen mit neurogenem Potenzial unterscheidet. Allerdings haben die Wissenschaftler um Magdalena Götz bereits in früheren Untersuchungen gezeigt, dass Astroglia aus der Großhirnrinde junger Mäuse, die normalerweise nicht zur Ausbildung von Nervenzellen fähig sind, durch das Einschleusen von speziellen Regulatorproteinen dazu angeregt werden können, sich in Nervenzellen umzuwandeln.
„Mit der aktuellen Untersuchung ist es uns gelungen, die neu geschaffenen Neuronen so weitreichend umzuprogrammieren, dass sie nun auch funktionierende Synapsen ausbilden können. Diese schütten - je nach verwendetem Transkriptionsfaktor - erregend oder hemmend wirkende Überträgersubstanzen aus “, sagt Dr. Benedikt Berninger, federführender Autor der aktuellen Publikation. Ein Vorgang, der nicht nur bei jungen Astroglia zu beobachten war, sondern sogar bei Astroglia aus dem erwachsenen Gehirn, wenn diese vorher durch eine Gewebsverletzung reaktiviert wurden. „Unsere Ergebnisse nähren die Hoffnung, dass die Barriere, die die eng verwandten Zellen Astroglia und Neurone trennt, nicht unüberwindbar ist“, betont Berninger. Die Resultate ermutigen die Wissenschaftler, ihren Ansatz, aus im Gehirn vorhandener Glia neue Nervenzellen zu gewinnen, weiter zu verfolgen, um so Therapien für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer zu finden.
Originalveröffentlichung: Christophe Heinrich et al.; "Directing Astroglia from the Cerebral Cortex into Subtype Specific Functional Neurons"; PLoS Biology 2010
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