Strahlenschäden an väterlichem Erbgut werden an Nachkommen weitergegeben
Schäden im väterlichen Genom werden nicht repariert und stattdessen an die Nachkommen weitergegeben, während die weibliche Eizelle die Schäden repariert oder eingeht
Siyao Wang, Universität zu Köln
Kein Durchkommen für Reparaturproteine
Nachkommen, die von bestrahlten männlichen Tieren und gesunden weiblichen Würmern entstanden sind, zeigten in der Studie sogenannte strukturelle Varianten, also zufällige Verbindungen von Chromosomenteilen. Eine akkurate Reparatur ist nicht möglich, da die geschädigte DNA dicht gepackt ist. Die langen DNA Stränge sind auf sogenannten Histonproteinen wie auf Kabeltrommeln aufgerollt. Diese vielen Kabeltrommeln werden dann dicht gestapelt und aneinandergestellt, sodass Schäden in den DNA Strängen nicht mehr von Reparaturproteinen erreicht werden können. In der Zelle werden die Kabeltrommeln von den Histonproteinen HIS-24 und HPL-1 zusammengehalten. Die Wissenschaftler*innen zeigte, dass gezielte Verminderung dieser Histonproteine einem sehr präzises Reparatursystem Zugang erlaubt: Die väterlich vererbten Schäden werden nun komplett behoben und gesunde Nachkommen können gezeugt werden. Diese Histonproteine, die den Zugang der DNA für Reparaturen steuert, könnten somit effektive Therapieziele zur Behebung von Strahlenschäden darstellen.
Strukturelle Varianten auch beim Menschen
Zusätzlich zu den Arbeiten im Fadenwurm konnte das Team die gleichen strukturellen Varianten, also die zufällig zusammengesetzten Chromosomen, auch bei Menschen nachweisen. Auch hier werden diese Chromosomenveränderungen väterlicherseits vererbt. Hierzu analysierten die Wissenschaftler*innen verschiedene Datensätze, das 1000 Genom-Projekts, welches die Genetischen Daten von mehr als eintausend Menschen beinhaltet, und das isländische deCODE Projekt mit genetischen Daten der jeweiligen Mütter, Väter und Kinder.
„DNA Veränderungen, insbesondere strukturelle Varianten in den Chromosomen, die in der väterlichen Keimbahn entstehen, werden verdächtigt, das Risiko von Krankheiten wie Autismus und Schizophrenie zu erhöhen“, sagt Schumacher. Dies bedeutet, dass auch beim Menschen die reifen Spermien vor Strahlenschäden besonders geschützt und beschädigte reife Spermien möglichst nicht zur Zeugung verwendet werden sollten. Schumacher ergänzt: „Solche Schäden können etwa bei der Strahlen- oder Chemotherapie auftreten und sind demnach in den zwei Monaten, die es dauert, bis neue Spermien gebildet werden, ein Risiko.“ Denn im Gegensatz zu reifen Spermien werden während dieser Neubildung Schäden durchaus repariert.
Das Forschungsteam konnte die gleichen strukturellen Veränderungen an den Chromosomen auch bei Fadenwürmern in der Natur und in menschlichen Genomen nachweisen. Dies legt nahe, dass Schäden im Genom reifer Spermien und die fehlerhafte Reparatur in der Zygote eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Genomvarianten in der Evolution und bei der Entstehung genetischer Erbkrankheiten beim Menschen spielen.