Neues Antibiotikum gegen resistente Keime entdeckt

Rückenwind für Antibiotika-Forschung

12.10.2022 - Schweiz

Antibiotika galten lange Zeit als Wunderwaffe gegen bakterielle Infektionen. Viele Erreger haben sich jedoch an die Wirkstoffe angepasst und sind resistent geworden, daher wird die Suche nach neuen antibakteriellen Substanzen immer wichtiger. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Basel hat nun mittels Computeranalyse ein neues Antibiotikum entdeckt und sein Wirkprinzip entschlüsselt. Ihre Studie ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung neuer wirksamer Medikamente.

Biozentrum, University of Basel

Das neu entdeckte Antibiotikum Dynobactin wirkt auch gegen resistente Problemkeime.

Als «Stille Pandemie» bezeichnet die WHO die schleichende und rasant wachsende Zahl antibiotika-resistenter Bakterien. Die Krise wird durch den Umstand verschärft, dass in den letzten Jahrzehnten kaum neue Medikamente auf den Markt gekommen sind. Schon heute lassen sich nicht mehr alle Infektionen behandeln und sogar Routine-Eingriffe werden zur Gefahr.

Um den Vormarsch antibiotikaresistenter Keime aufzuhalten, braucht es dringend neue Wirkstoffe. Eine solche Entdeckung ist nun dem Team um Prof. Dr. Sebastian Hiller vom Biozentrum der Universität Basel und Forschenden der Northeastern University in Boston gelungen. Die Arbeit entstand im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) «AntiResist» und erschien nun in «Nature Microbiology».

Schwierige Gegner

Das neue Antibiotikum Dynobactin haben die Forschenden durch ein computerbasiertes Screening entdeckt. Es tötet gram-negative Bakterien, zu denen viele gefährliche und resistente Keime gehören. «Antibiotika gegen diese Gruppe von Bakterien zu finden, ist alles andere als trivial», sagt Hiller. «Sie sind durch ihre doppelte Membran gut geschützt und bieten daher nur wenig Angriffsfläche. Und in den Millionen Jahren ihrer Evolution haben sie zahlreiche Wege gefunden, Antibiotika unschädlich zu machen.»

Erst im vergangenen Jahr hat Hillers Team das Wirkprinzip des kürzlich entdeckten Peptidantibiotikums Darobactin entschlüsselt. Diese Erkenntnisse flossen direkt in die Suche nach neuen Antibiotika ein. Dabei machten sie sich unter anderem zu Nutze, dass viele Bakterien selbst antibiotisch wirkende Peptide herstellen, um sich gegenseitig zu bekämpfen. Und dass diese Peptide, im Gegensatz zu Naturstoffen, im Erbgut der Bakterien festgeschrieben sind.

Tödliche Wirkung

«Die Gene für solche Peptidantibiotika besitzen ein klares Erkennungszeichen», erklärt Ko-Erstautor Dr. Seyed M. Modaresi. «Nach diesem Merkmal hat der Rechner das gesamte Erbgut von Bakterien, die solche Peptide produzieren, systematisch durchforstet. Dabei sind wir auf Dynobactin gestossen.» Dass es äusserst wirksam ist, konnten die Autoren in ihrer Studie zeigen. Mäuse mit einer lebensgefährlichen Blutvergiftung durch resistente Bakterien überstanden die schwere Infektion durch die Gabe von Dynobactin.

Durch eine Kombination verschiedener Methoden konnten die Forschenden die Struktur und die Wirkungsweise von Dynobactin ermitteln. Es blockiert das bakterielle Membranprotein BamA, welches beim Aufbau und der Erneuerung der äusseren Schutzhülle der Keime eine wichtige Rolle spielt. «Dynobactin steckt von aussen wie ein Korken im BamA und hindert es daran, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Bakterien sterben», so Modaresi. «Obwohl Dynobactin chemisch kaum Ähnlichkeiten mit dem bekannten Darobactin aufweist, bekommt es die Bakterien an derselben Stelle zu fassen. Damit hatten wir anfangs nicht gerechnet.»

Rückenwind für Antibiotika-Forschung

Auf molekularer Ebene jedoch, so stellten die Forschenden fest, interagiert Dynobactin anders mit BamA als Darobactin. Indem man bestimmte Eigenschaften der beiden kombiniert, liessen sich die potenziellen Wirkstoffe weiter verbessern und optimieren. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem wirksamen Medikament. «Die computerbasierte Screening-Methode wird der Suche nach den dringend benötigten Antibiotika einen neuen Schub verleihen», so Hiller. «Zukünftig wollen wir das Ganze erweitern und noch mehr Peptide auf ihre Tauglichkeit hin prüfen.»

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