SARS-CoV-2: Antivirale Behandlung fördert Bildung neuer Varianten

Untersuchung der genomischen Vielfalt bei langanhaltenden Infektionen

19.08.2022 - Deutschland

Können Patient*innen mit langanhaltenden Infektionen zur Entstehung neuer SARS-CoV-2-Varianten beitragen? Ein Forschungsteam aus dem Leibniz-Institut für Virologie (LIV) und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist dem genauer nachgegangen und konnte nun zeigen, dass es nicht die lange Infektionsdauer an sich ist, die die Bildung neuer Varianten nach sich zieht, sondern es eines evolutionären Flaschenhalses bedarf, wie er zum Beispiel durch eine antivirale Behandlung entstehen kann. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Cell Reports Medicine als Pre-Proof erschienen.

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Symbolbild

Langanhaltende SARS-CoV-2-Infektionen treten vor allem bei immungeschwächten Patient*innen auf und wurden wiederholt als wichtige Faktoren für die virale Evolution diskutiert: Eine verringerte Immunrestriktion könnte zu einer breiten Zunahme der viralen Vielfalt innerhalb des Wirts führen und so die Entstehung neuer Varianten begünstigen, insbesondere wenn antivirale Behandlungen wie mit Remdesivir oder Rekonvaleszenzplasma einen Selektionsdruck für den Erwerb von Fluchtmutationen ausüben.

Untersuchung der genomischen Vielfalt bei langanhaltenden Infektionen

In der im Journal Cell Reports Medicine publizierten Studie hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Adam Grundhoff (LIV) und Prof. Nicole Fischer (UKE) nun untersucht, ob Patient*innen mit langanhaltenden Infektionen grundsätzlich eine erhöhte Virusevolution aufweisen, welche die schnellere Entstehung von SARS-CoV-2-Varianten ermöglichen könnte, oder ob bestimmte Behandlungsschemata die Entstehung neuer Mutationen fördern.

Dafür wurde die genomische Vielfalt innerhalb des Wirts in Längsschnittproben von 14 Patient*innen mit längerer viraler Persistenz (30 - 146 Tage) mittels Gesamtgenomsequenzierung während einer schweren COVID-19-Erkrankung untersucht; darunter immungeschwächte und immunkompetente Patient*innen mit oder ohne antivirale Behandlung, um das Auftreten von Mutationen mit und ohne Selektionsdruck zu bewerten.

„Insgesamt war das Virus in den allermeisten untersuchten Personen erstaunlich stabil. Allerdings konnten wir in einer Patientin, die mit Remdesivir behandelt wurde, beobachten, dass es unmittelbar nach Behandlungsbeginn zur Bildung einer hohen Anzahl von Mutationen kam - darunter auch mindestens eine Mutation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhöhte Resistenz gegenüber Remdesivir vermittelt“, erläutert Prof. Adam Grundhoff, Leiter der LIV-Forschungsgruppe Virus Genomik.

Antivirale Behandlung fördert evolutionären Flaschenhals

Patient*innen mit langanhaltender SARS-CoV-2-Infektion und antiviraler Remdesivir-Behandlung zeigten einen deutlichen Anstieg der viralen Intra-Host-Diversität mit neu auftretenden Mutationen. Im Gegensatz dazu konnte bei Patient*innen, die ausschließlich eine entzündungshemmende Behandlung erhielten, nur sporadisch das Auftreten neuer Varianten beobachtet werden.

„Unsere Arbeit zeigt, dass es nicht die lange Infektionsdauer an sich ist, welche die Bildung neuer Varianten nach sich zieht, sondern, dass es dazu vielmehr eines evolutionären Flaschenhalses bedarf, wie er z.B. durch eine antivirale Behandlung entstehen kann. Diese Erkenntnis ist besonders mit Blick auf die jüngsten Diskussionen über den Einsatz von Remdesivir zur Behandlung von nicht hospitalisierten Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten wichtig, aber auch für die Einführung potenziell neuer antiviraler Therapeutika“, ergänzt Prof. Nicole Fischer vom UKE die Ergebnisse.

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