Neue Erkenntnisse zur Entstehung des Immunsystems im Gehirn

Bedeutung für Alzheimer, Multiple Sklerose und Co.

03.05.2022 - Deutschland

Was ins Gehirn gelangt und was nicht, wird streng kontrolliert. Forscher*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg haben jetzt Fresszellen untersucht, die die Blutgefäße im Gehirn ummanteln und die Blut-Hirn-Schranke verstärken. Wie die Wissenschaftler*innen vom Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam nachwiesen, reifen diese Zellen erst nach der Geburt nach einem festgelegten schrittweisen Entwicklungsprogramm vollständig aus. Bislang hatte man angenommen, dass dieser Prozess in der Embryonalentwicklung abgeschlossen ist. Ihre Untersuchungen, die am 20. April 2022 im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurden, erfolgten zunächst an genetisch veränderten Mauslinien und wurden an menschlichen Proben bestätigt. Sie dürften wichtige Erkenntnisse für die Entstehung und Behandlung von Krankheiten des Gehirns liefern.

Medical Center – University of Freiburg / Dr. Lukas Amann

Nachbearbeitete mikroskopische Aufnahme verschiedener Gewebsmakrophagen (cyan, magenta oder grün) im Maushirn. Makrophagen (magenta) an Blutgefäßen entstehen durch Einwandern von Makrophagen (cyan) aus den Hirnhäuten.

„Wir konnten zeigen, dass die von uns untersuchten Immunzellen beim Menschen kurz vor der Geburt von der Hirnhaut an die Blutgefäße in das Gehirn einwandern und dort ausreifen. Dieser Prozess ist vermutlich erst Wochen nach der Geburt abgeschlossen und könnte zum Teil erklären, warum das Gehirn zu Beginn des Lebens so verletzlich ist“, sagt Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und Leiter des Sonderforschungsbereichs/Transregio 167 – NeuroMac und Mitglied im Exzellenzcluster CIBSS –Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. „Der späte Zeitpunkt der Reifung der Fresszellen, auch Makrophagen genannt, hat uns sehr überrascht, da die Vorläuferzellen bereits lange vorher im Gehirn vorhanden sind“, so Prinz. Außerdem konnten die Wissenschaftler*innen erstmalig zeigen, dass die Gefäße als strukturgebende Zellen des Gehirns wichtige Signale für eine normale Entwicklung der Hirnmakrophagen aussenden.

Die Blut-Hirn-Schranke wird durch Zellen an den Blutgefäßen des Gehirns gebildet. Sie kontrollieren, welche Stoffe ins Gehirn eindringen können und welche nicht. Das schützt das Gehirn vor schädlichen Stoffen und Krankheitserregern. Die Blut-Hirn-Schranke ist bei Infektionserkrankungen, bestimmten Hirntumoren und Sauerstoffmangel besonders durchlässig.

Bedeutung für Alzheimer, Multiple Sklerose und Co.

„Die von uns untersuchten Immunzellen kontrollieren zusätzlich zur Blut-Hirn-Schranke, was aus dem Blut an die Hirnzellen gelangen kann, sie fressen Krankheitserreger und verhindern übermäßige Entzündungen. Auch an der Entstehung von Krebs, Alzheimer und Multipler Sklerose sind sie beteiligt. Unsere Erkenntnisse könnten für ein besseres Verständnis dieser Krankheiten und künftige Therapien von Bedeutung sein“, so Prinz weiter.

Farbmarkierte Zellen und Gen-Analysen

Für ihre Studie nutzten die Forscher*innen um die beiden Erstautoren Dr. Takahiro Masuda von der Kyushu University, Japan, und Dr. Lukas Amann von der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg mehrere neu etablierte Mauslinien. Mit diesen ließen sich erstmalig gezielt verschiedene Typen von Hirnmakrophagen und deren Vorläuferzellen markieren und später mittels hochauflösender Mikroskopie in den verschiedenen Hirnregionen wiederfinden. Zusätzlich untersuchten sie die Genaktivität einzelner Zellen und bestimmten so deren Reifegrad: „Wir konnten die Daten auch an menschlichen Gehirnen bestätigen. Dadurch erzielen wir ein wesentlich tieferes Verständnis des zeitlichen Ablaufs und der molekularen Mechanismen in der Entwicklung der Zellen. Dieses Wissen kann nun genutzt werden, um neue und spezifischere Therapieansätze für Hirnerkrankungen zu erforschen“, sagt der Biologe Dr. Lukas Amann, der am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg tätig ist.

An der Studie waren Forscher*innen aus Freiburg, Berlin, Hannover, Leipzig, Japan, Schweden, Frankreich und den USA beteiligt.

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