Der Prototyp des Verbrechers

Wie unterscheiden sich die Gehirne von Tätern und Nicht-Tätern?

21.03.2022 - Deutschland

Es ist ein spezieller Menschenschlag, den Prof. Dr. Boris Schiffer unter die Lupe genommen hat. Menschen, die schon im Kindesalter auffallen, weil sie straffällig werden. Und die oft ihr ganzes Leben lang immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Fachleute wie Schiffer, Direktor der Forschungsabteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum Bochum und der LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne, diagnostizieren in solchen Fällen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Mittels Bildgebung hat er untersucht, ob und wie sich die Gehirne der Betroffenen von anderen unterscheiden. Über seine Arbeit berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum.

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Eine Disposition für dissoziales Verhalten, ein niedriger Intelligenzquotient und häufig auch Drogengebrauch machen es angesichts eines Impulses zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung sehr viel leichter, eine schlechte Entscheidung zu treffen (Symbolbild).

Rund fünf Prozent der Männer und etwa ein Prozent der Frauen haben die Disposition für diese Störung. „Das sind natürlich sehr viele Menschen, und nicht alle werden straffällig“, macht Boris Schiffer klar. Eine kriminelle Karriere begünstigen einige weitere Faktoren. So liegt der durchschnittliche Intelligenzquotient bei Inhaftierten mit dissozialer Persönlichkeitsstörung um zehn Punkte unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Sehr häufig sind Betroffene substanzabhängig. Da die Persönlichkeitsstörung nicht mit verminderter Schuldfähigkeit einhergeht, landen betroffene Straftäter in normalen Justizvollzugsanstalten. Gutachten sollen vor ihrer Entlassung abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie wieder straffällig werden. „Die Prognose ist schlecht“, so Schiffer. „Die Betroffenen sind schwer therapierbar, denn es gibt eigentlich keinen moralischen Kompass, den man neu ausrichten könnte.

Ein objektives Kriterium

In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich damit, ob es nicht auch objektive Kriterien für die Gefährlichkeit geben könnte. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche neurobiologischen Mechanismen dem Verhalten der Straftäter zugrunde liegen. Kann man am Gehirn oder seiner Aktivität ablesen, wo Unterschiede zu Nicht-Straftätern liegen, beziehungsweise wodurch sich Rückfällige von Nicht-Rückfälligen unterscheiden? Kann man erkennen, ob eine Therapie Wirkung zeigt? „Wenn es so wäre, hätten wir ein objektives Kriterium für die Beurteilung, ob eine Therapie erfolgreich war“, meint Schiffer.

Um die dissoziale Persönlichkeitsstörung und ihre Auswirkungen genauer zu verstehen, setzte er auf die funktionelle Magnetresonanztomografie, kurz fMRT. Die Forschenden der RUB entwickelten einen Versuchsablauf, in dem Probanden mit und ohne dissoziale Persönlichkeitsstörung im fMRT jeweils kurze Bildsequenzen vorgespielt wurden, in denen Täter und Opfer interagierten. Vorher wurden die Teilnehmenden angewiesen, sich entweder in die eine oder die andere Person hineinzuversetzen. Danach wurde abgefragt, wie sich die Teilnehmenden fühlten und wie sie die Gefühle der beobachteten Personen einschätzten. Die Untersuchungen, deren Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, zeigten unter anderem, dass dissoziale Persönlichkeiten sehr wohl mitfühlen – aber eher mit dem Täter als mit dem Opfer.

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