Je reicher ein Land, desto mehr Stammzelltransplantationen

11.05.2010 - Schweiz

Forschende der Universität Basel zeigen zusammen mit Kollegen erstmals klare Zusammenhänge zwischen der Ökonomie und der Zahl der Stammzelltransplantationen in einem Land auf: Entscheidend für eine hohe Transplantationsrate sind Reichtum und Entwicklungszustand, die staatlichen Gesundheitsausgaben und der Zugang der Bevölkerung zur Technologie.

Die Transplantation von blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks ist heute eine etablierte Therapie für viele schwere Erkrankungen wie etwa Leukämie oder Lymphomen. Solche Transplantationen nehmen seit einigen Jahren weltweit sehr stark zu. Dazu beigetragen haben wirksamere Medikamente, bessere Techniken auch für ältere Patienten und eine starke Zunahme an freiwilligen, nichtverwandten Spendern. Trotzdem bleibt diese Transplantation eine Behandlung mit beträchtlicher Mortalität und ist an aufwändige Infrastrukturen gebunden.

Nun zeigen Forschende der Universität Basel in Zusammenarbeit mit dem Institute for Operations Research and Computational Finances der Universität St. Gallen erstmals anhand internationaler Daten den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Faktoren und einer modernen, komplexen und teuren medizinischen Technologie, wie sie die Stammzelltransplantation darstellt. Untersucht und statistisch berechnet wurden über 50.400 solcher Transplantationen aus dem Jahr 2006, deren Daten von rund 1.300 Teams aus 71 Ländern aus fünf Kontinenten geliefert wurden. In 57% aller Fälle waren Spender und Empfänger identisch; hier spricht man von autologer Transplantation.

Als wichtigste Kerngrößen für die Transplantationszahlen eines Landes ergaben sich die staatlichen Gesundheitsausgaben und die Dichte der Transplantationsteams in einem Land; so führten bevölkerungs- und flächenmäßig kleine und ärmere Länder überhaupt keine Stammzelltransplantationen durch. Fast eine ebenso wichtige Rolle spielten das Pro-Kopf-Einkommen und der Entwicklungsstand eines Staates. Weitere Indikatoren für die Qualität eines Gesundheitswesens wie etwa Mortalitätsraten erwiesen sich dagegen als weniger aussagekräftig.

Die vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Studie von Forschenden aus Medizin und Ökonomie weist darüber hinaus erstmals auf deutliche Unterschiede und Bedürfnisse zwischen den verschiedenen Ländern und Regionen hin: Die autologe Form der Transplantation, eine bei bestimmten Lymphomen und dem Multiplen Myelom angewandte Therapie, wird zum Beispiel vor allem in Europa und den USA eingesetzt. Nicht verwandte Spender fanden sich sehr häufig in Asien und praktisch nie in Afrika und im Mittleren Osten.

Die Resultate der Studie können erstmals detailliertere Erklärungen zum bekannten Zusammenhang zwischen Einkommen und Transplantationsraten eines Landes liefern. Noch nie war mit modernen ökonomischen Methoden und Statistiken eine solche Studie in diesem Umfang weltweit durchgeführt worden. Die Interpretation scheint eindeutig: Für die Einführung komplexer Therapien wie der Stammzelltherapie ist ein Minimum an Ressourcen notwendig, eine staatliche Unterstützung fördert sie und die Patienten benötigen Zugang zur Therapie. Die Forschenden gehen davon aus, dass diese Aussagen auch für andere komplexe und teure Technologien anwendbar sind.

Originalveröffentlichung: A Gratwohl et al.; "Hematopoietic Stem Cell Transplantation: A Global Perspective"; JAMA. 2010; 303(16):1617-1624

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