Mit molekularbiologischen Methoden auf der Suche nach Öl und Gas

Das EU-Project PROSPECTOMICS ist mit fünf internationalen Partnern gestartet, um umweltfreundlichere Verfahren zu entwickeln

29.07.2021 - Deutschland

Auch in Zeiten der Energiewende werden Erdöl und Erdgas noch für mindestens 30 Jahre eine wichtige Rolle für die Energie- und Rohstoffversorgung Europas spielen. Da in Europa immer weniger nach Öl und Gas gesucht wird, kommt es zu einer zunehmenden Abhängigkeit von anderen Ländern. Ein Hauptgrund für diesen Rückgang der Exploration ist die Umweltbelastung bei der Suche nach neuen Vorkommen. Um den ökologischen Fußabdruck bei der Suche nach heimischen Lagerstätten zu minimieren, werden neue Methoden zum Auffinden von Lagerstätten gebraucht.

Ein ganz neuer, vielversprechender Ansatz basiert auf molekularbiologischen Verfahren. Sie sollen Veränderungen in Sedimenten oberhalb von Lagerstätten aufspüren, wo Mikroorganismen auf natürliche Weise dem Austritt von Kohlenwasserstoffen ausgesetzt sind. Im EU-Projekt PROSPECTOMICS werden auf dieser Grundlage industriell einsetzbare Verfahren entwickelt, gefördert für 42 Monate mit 3,4 Mio Euro im Rahmen des EU-Horizon2020 Programms Future Emerging Technologies (FET). Unter der Leitung des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) kooperieren fünf wissenschaftliche Gruppen aus Deutschland, Luxemburg und Österreich, sowie ein norwegisches Explorationsunternehmen.

Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

Umweltfreundliche Suche nach Lagerstätten

Die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Umstellung der Wirtschaft auf regenerative Energien sind zentraler Bestandteil der Strategie der Europäischen Union. Doch selbst unter den optimistischsten Bedingungen werden Erdöl und Gas auch hier noch für einige Jahrzehnte ihren Beitrag zur Energie- und Rohstoffversorgung leisten. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass dabei eine möglichst geringe Abhängigkeit von außereuropäischen Partnern von großer strategischer Bedeutung ist.

Eine stärkere Nutzung einheimischer Reserven scheitert häufig an den bestehenden Umweltauflagen oder an Konflikten mit anderen Nutzern der Gebiete. Denn die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen beruht normalerweise auf Techniken wie Tiefbohrungen, die einen großen ökologischen Fußabdruck besitzen. „Durch die Nutzung von molekularbiologischen Methoden könnte auf Tiefbohrungen wenigstens teilweise verzichtet werden. So ließen sich die negativen Effekte auf die Umwelt stark reduzieren“, sagt Jens Kallmeyer, Leiter des Projektes und am GFZ Leiter der Arbeitsgruppe für aquatische Geochemie.

Internationales Team mit Industriepartner

Um auf dieser Basis neue, industriell einsetzbare molekularbiologische Prospektions-Verfahren zu entwickeln, haben sich in PROSPECTOMICS eine Reihe von international renommierten Arbeitsgruppen zusammengeschlossen, welche sich jeweils auf die Analyse von spezifischen Biomolekülen spezialisiert haben. Sie kommen vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam, von der Universität Greifswald, der Universität Duisburg-Essen, dem Luxemburg Centre for Systems Biomedicine der Universität Luxemburg, dem Centre for Microbiology and Environmental Systems Science der Universität Wien, sowie vom norwegischen Industriepartner Lundin Energy.

Veränderung in Mikroben als Hinweis auf verborgene Öl- oder Gasspeicher

Der im Projekt verfolgte Ansatz basiert auf der Beobachtung, dass jeder Öl- oder Gasspeicher minimale Undichtigkeiten aufweist, auf die die mikrobiellen Gemeinschaften in den darüber liegenden Sedimentschichten reagieren. Diese Reaktionen können vielfältig sein: Von einer Verschiebung der Artenzusammensetzung, über das An- oder Abschalten bestimmter Gene oder die Produktion von spezifischen Enzymen zum Abbau von Kohlenwasserstoffen bis zur Anreicherung bestimmter Stoffwechselprodukte. Diese Änderungen sind häufig nur minimal. Im Rahmen von PROSPECTOMICS soll untersucht werden, wie sie mit modernsten molekularbiologischen, sogenannten Omics-Methoden erfasst werden können. In PROSPECTOMICS werden Metagenomik, Metatranskriptomik und Metaproteomik eingesetzt. Jede dieser Methoden fokussiert sich auf eine spezifische Gruppe von Biomolekülen, die jeweils ganz bestimmte Informationen beinhalten.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür: Die routinemäßige Gensequenzierung von Umweltproben hat in den letzten Jahren große Fortschritte und einen massiven Preisverfall erlebt. Auch andere molekularbiologische Methoden sind wesentlich verbessert worden und preislich in Bereiche gekommen, welche die breit angelegte molekularbiologische Analyse von vielen Proben möglich machen.

Mit künstlicher Intelligenz Muster in Datenmengen erkennen

Eine wesentliche Herausforderung sind nun die extrem großen Datenmengen, die bei solchen Analysen entstehen. Sie sollen mit Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz nach charakteristischen Mustern durchsucht werden. „Unser Ziel ist es, durch die Identifikation von einzelnen Schlüsselparametern neuartige, hochempfindliche Verfahren zum Aufspüren von Lagerstätten zu entwickeln, die so robust und einfach in der Anwendung sind, dass sie als Standardtechnik bei der Öl- und Gasexploration eingesetzt werden können“, sagt Kallmeyer.

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