Angeknöpfte Biomoleküle
Klick-Reaktion für lebende Systeme: bioorthogonale Hydroaminierung aktivierter linearer Alkine
(c) Wiley-VCH
Beispielsweise kann eine Markierung von Biomolekülen zur Lokalisierung und Charakterisierung von Tumoren erfolgen, indem ein Antikörper injiziert wird, der an bestimmte Moleküle der Tumorzellen bindet. Anschließend wird ein Farbstoff injiziert. Antikörper und Farbstoff sind jeweils mit kleinen molekularen Gruppen ausgestattet, die kaum Einfluss auf das zelluläre Geschehen haben. Kommen sie mit ihrem Gegenstück in Kontakt, verbinden sie sich sofort spezifisch und ohne Nebenreaktionen miteinander – so einfach wie die zwei Teile eines Druckknopfs „zusammengeklickt“ werden. Daher die Bezeichnung Klick-Chemie. Der Farbstoff bleibt dann nur an Tumorzellen haften und macht sie detektierbar.
Die bekannteste Klick-Reaktion ist die Azid-Alkin-Reaktion. Eine Azido-Gruppe reagiert mit einer Alkin-Gruppe zu einem Fünfring. Die Reaktion benötigt jedoch einen giftigen Kupfer-Katalysator und ist damit nicht für lebende Systeme geeignet. Eine Alternative sind zyklische Alkine, in denen die Dreifachbindung so unter Spannung steht, dass es auch ohne Katalysator geht. Der Zyklus kann für manche Anwendungen jedoch störend sein.
Das Team um Justin Kim vom Dana–Farber Cancer Institute und der Harvard Medical School (Boston, USA) hat jetzt eine alternative Klick-Reaktion mit linearen, endständigen Alkinen entwickelt, die katalysatorfrei und rasch unter komplexen physiologischen Bedingungen abläuft. Ausgehend von einer genauen Analyse der elektronischen Verhältnisse in Alkinen und Tests mit verschiedenen Substituenten fand das Team bestimmte auf beiden Seiten der Dreifachbindung halogenierte Alkine, die reaktiv genug sind. Der Trick war, die unterschiedlichen Einflüsse der einzelnen Substituenten so auszutarieren, dass die Alkine ausreichend aktiviert werden („push-pull-Aktivierung“), um ohne Katalysator zu reagieren, aber gleichzeitig vor dem Angriff zellulärer Komponenten sicher zu sein. Als passende „Druckknopf“-Gegenstücke wählte das Team N,N-Dialkylhydroxylamine (Stickstoff- und Sauerstoffhaltige organische Verbindungen) statt der herkömmlichen Azide. Die entstehenden Kupplungsprodukte (Enamin-N-Oxide) sind biokompatibel.
Die neuen Klick-Reaktionen („Retro-Cope-Eliminierung“) laufen sehr rasch, die Produkte werden regioselektiv gebildet, die Komponenten sind ausreichend stabil und können einfach an Biomoleküle angebracht werden. Somit erweitern sie die Bandbreite bioothogonaler Kupplungsreaktionen für zelluläre Markierungen in lebenden Systemen.