Entschlüsselung neuer Mechanismen des Leberkrebses
Walter-Siegenthaler-Gesellschaft zeichnet FAU-Forscher aus
Peter Dietrich
Leberkrebs entsteht meist in einer „vorgeschädigten“ Leber, einer sogenannten Leberzirrhose. Diese entwickelt sich zum Beispiel nach jahrelangem schwerem Alkoholkonsum oder einer chronischen Virushepatitis. Einem interdisziplinären Forschungsteam der FAU und des UKER ist es nun gelungen, einen Mechanismus aufzudecken, der entscheidend zu den bösartigen Eigenschaften von Leberkrebszellen beiträgt. Dabei ist das kurzkettige Eiweißmolekül Neuropeptid Y (NPY) entscheidend, welches normalerweise in Nervenfasern gebildet wird und das Nervensystem mit verschiedenen Organen und dem Immunsystem verbindet. NPY ist beispielsweise an der Appetitregulation sowie der Regulierung von Immunantworten bei Entzündungen beteiligt.
Eine Antenne für NPY
NPY wirkt auf verschiedene Zelltypen über Rezeptoren, die wie Antennen auf der Zelloberfläche sitzen und Signale in das Innere der Zellen weiterleiten. Die aktuelle Studie zeigt auf, dass eine sehr hohe Menge solcher „Rezeptor-Antennen“ für NPY auf der Oberfläche von Leberkrebszellen vorhanden ist. Wenn NPY an die Rezeptoren bindet, werden diese aktiviert und dies kann dann zu beschleunigtem Wachstum der Krebszellen sowie zur Metastasierung führen. Eine Hemmung der „NPY-Antennen“ mit speziellen Medikamenten konnte im Tiermodell bereits stark das Wachstum von Lebertumoren bremsen.
Ein Lockstoff für Leberkrebszellen
Leberkrebszellen selbst bilden jedoch kein NPY, sondern nur die gutartigen Leberzellen, die den Tumor umgeben. Durch bösartiges Krebswachstum bilden sich Entzündungsstoffe, welche die normalen Leberzellen dazu anregen, große Mengen an NPY zu produzieren. Dadurch, dass NPY außerhalb vom Tumor gebildet wird, die Tumorzellen aber viele Antennen für NPY besitzen, wirkt NPY wie ein Lockstoff, welcher die Wanderung von Krebszellen in die Umgebung auslöst und somit zur Metastasierung beitragen kann.
Diabetesmittel könnte Leberkrebswachstum aufhalten
Das Forschungsteam konnte zeigen, dass ein besonderes Eiweißmolekül, die sogenannte Dipeptidylpeptidase 4 (DPP4), die Leberkrebszellen ebenfalls in erhöhtem Maße bilden, sogar zu einer noch stärkeren Aktivierung der NPY-Antennen führt. Da Hemmstoffe, sogenannte Gliptine, gegen DPP4 bereits bei Diabetes eingesetzt werden, ließen sich diese einsetzen, um die Aktivierung der NPY-Antennen auf den Krebszellen abzuschwächen. In Zukunft könnten Medikamente eingesetzt werden, um dieses Verhalten der Leberkrebszellen vielversprechend zu verhindern.
Walter-Siegenthaler-Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin
Das Ziel der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin ist es, klinische und wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Inneren Medizin zu fördern. Von der Gesellschaft wird alle zwei Jahre die „Walter-Siegenthaler-Medaille in Silber“ für grundlegende wissenschaftliche Arbeiten über aktuelle Themen der Inneren Medizin verliehen. In diesem Jahr würdigt das Preiskomitee die Arbeit des Erlanger Forscherteams und zeichnet Dr. Peter Dietrich mit der renommierten Walter-Siegenthaler-Medaille in Silber aus. Aufgrund der Corona-Pandemie wird die feierliche Übergabe der Medaille und des Preisgeldes an Herrn Dietrich im Rahmen eines Symposiums der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft 2021 erfolgen.