Schutzimpfung gegen veränderte Proteine könnte Krebsentstehung verhindern
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Erbgutveränderungen führen häufig dazu, dass Zellen veränderte Proteine ausbilden. Besonders häufig tritt dies bei den so genannten Mikrosatelliten-instabilen Krebsarten auf: In diesen Tumoren ist ein wichtiges Reparatursystem ausgefallen, das normalerweise kleine Fehler im Erbgut korrigiert. Bleiben solche DNA-Defekte unrepariert, so schiebt sich häufig ein zusätzlicher Baustein in die DNA-Kette ein - mit der Folge, dass die gesamte Proteinbauanleitung aus dem Takt gerät.
Die dadurch entstehenden neuartigen Proteinstrukturen, so genannte Neoantigene, werden vom Immunsystem oft als fremd erkannt. „Bekanntermaßen sprechen Tumoren mit DNA-Reparaturdefekten, die viele Neoantigene haben, auch besonders gut auf Immuntherapien an“, erklärt der Leiter der Studie Matthias Kloor vom Universitätsklinikum Heidelberg und vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
Etwa 15 Prozent aller Fälle von Darmkrebs und bis zu 30 Prozent aller Gebärmutterkörper-Karzinome zählen zu den Mikrosatelliten-instabilen Tumoren. Bislang war nicht bekannt, ob diese Neoantigene bei Mikrosatelliten-instabilen Krebsarten nach dem Zufallsprinzip entstehen oder ob es bestimmte Häufigkeiten gibt.
Um das herauszufinden, unterzogen Kloor und sein Team daher nun 139 Mikrosatelliten-instabile Tumoren einer systematischen Analyse. Dazu nutzen die Forscher einen neu am Universitätsklinikum, am DKFZ, am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg und am HITS entwickelten Algorithmus, der die Mutationen in den Tumorzellen quantitativ auswertet. In einem zweiten Schritt konnten die Wissenschaftler vorhersagen, welche dieser Neoantigene dazu fähig sind, das Immunsystem zu aktivieren.
Das überraschende Ergebnis der Untersuchung: Die Mutationen treten keineswegs rein zufällig an beliebigen Stellen des Erbguts auf. Vielmehr fanden die Wissenschaftler zahlreiche spezifische wiederkehrende Erbgutveränderungen, die in den Tumoren vieler Patienten übereinstimmten. Viele dieser übereinstimmenden Mutationen führen zur Bildung von Neoantigenen, die laut bioinformatischer Vorhersage in der Lage sind, das Immunsystem zu aktivieren und damit gegen den Krebs zu mobilisieren.
Die zweite Überraschung: Mutationen, die zu stark immunogenen Neoantigenen führen, finden sich bei den Mikrosatelliten-instabilen (MSI) Krebsarten tatsächlich eher selten. „Das kann darauf hinweisen, dass das Immunsystem den Tumor während seiner Entstehung überwacht und Krebszellen mit hoch immunogenen Neoantigenen sogleich eliminiert. Der Tumor besteht dann mehrheitlich aus Zellen, deren Neoantigene das Immunsystem deutlich weniger aktivieren. Das Immunsystem formt also den Tumor im Verlaufe seiner Entstehung“, erklärt Matthias Kloor. Jedoch gibt es bestimmte Mutationen, die trotz der hohen Immunogenität der entstehenden Neoantigene häufig in MSI-Tumoren vorkommen. Diese Mutationen scheinen die Tumor-Entstehung voranzutreiben. Solche Neoantigene, die von Mutationen mit Tumor-treibendem Effekt resultieren, sind für eine Impfstoffentwicklung besonders vielversprechend.
„Diese Beobachtung bestätigt unsere Idee, dass es möglich sein könnte, mit Schutzimpfungen gegen ausgewählte Neoantigene die Entstehung klinisch relevanter Tumoren zu verhindern“, sagt Magnus von Knebel Doeberitz, ebenfalls Autor der Arbeit und Leiter einer sowohl am DKFZ als auch am Universitätsklinikum Heidelberg angesiedelten Forschungsabteilung.
Besonders profitieren könnten davon Patienten mit Lynch-Syndrom, bei denen Defekte der DNA-Reparatur familiär auftreten und die daher häufig schon in jüngerem Alter an Krebs erkranken. Die Idee der Forscher ist, das Immunsystem dieser Patienten spezifisch für solche Neoantigene zu sensibilisieren, die aus Mutationen resultieren, die das bösartige Krebswachstum besonders antreiben. Damit könnte die Tumorentwicklung so beeinflusst werden, dass das Auswachsen von gefährlichen Krebszellklonen deutlich weniger wahrscheinlich wird. Vor einer klinischen Anwendung ist es jedoch erforderlich, diesen präventiven Ansatz in weiteren vorklinischen und klinischen Studien auf seine Wirksamkeit zu untersuchen.