Sind Antivitamine die neuen Antibiotika?
Forscherteam entwickelt Medikamentenansatz gegen bakterielle Infektionen
Lisa-Marie Funk
Für die Studie arbeitete das Team um Prof. Dr. Kai Tittmann vom Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften an der Universität Göttingen gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Dr. Bert de Groot vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Göttingen sowie Prof. Dr. Tadgh Begley von der Texas A&M University (USA) zusammen. Gemeinsam untersuchten sie den atomaren Wirkmechanismus eines natürlich vorkommenden Antivitamins des Vitamins B1. Einige Bakterien sind in der Lage, eine toxische Form dieses lebenswichtigen Vitamins herzustellen, um konkurrierende Bakterien abzutöten. Das Antivitamin hat nur ein einziges Atom zusätzlich zum natürlichen Vitamin an einer scheinbar unwichtigen Stelle und die spannende Frage war, warum das Vitamin trotzdem „vergiftet“ ist.
Das Team um Tittmann untersuchte mittels hochaufgelöster Proteinkristallografie, wie das Antivitamin ein wichtiges Protein aus dem Zentralstoffwechsel von Bakterien hemmt. Dabei zeigte es sich, dass der „Tanz der Protonen“, den man normalerweise in funktionierenden Proteinen beobachten kann, fast vollständig zum Erliegen kommt, das Protein arbeitet nicht mehr. „Dieses eine zusätzliche Atom des Antivitamins ist wie das berühmte Sandkorn in einem komplexen Getriebe, das die fein abgestimmte Mechanik blockiert“, erklärt Tittmann. Interessanterweise kommen menschliche Proteine mit dem Antivitamin vergleichsweise gut klar und arbeiten weiter. Warum das so ist, untersuchten der Chemiker Groot und sein Team mittels Computersimulationen. „Die menschlichen Proteine binden das Antivitamin entweder gar nicht oder so, dass sie nicht ‚vergiftet‘ werden“, so der Max-Planck-Forscher. Die unterschiedliche Wirkung des Antivitamins auf bakterielle und humane Proteine eröffnet die Möglichkeit, dieses zukünftig als Antibiotikum einzusetzen und damit neue therapeutische Alternativen zu schaffen.
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