Arbeitsteilung auf der Bakterienoberfläche
Wärmeliebende Bakterien nutzen unterschiedliche Oberflächen-Härchen zu Bewegung und DNA-Aufnahme
aduka, Agency Frankfurt am Main(www.aduka.de) für Goethe-Universität Frankfurt.
Das Bakterium Thermus thermophilus hat es gerne sehr warm. Erstmals wurde es in den heißen Quellen im japanischen Izu entdeckt, wo es bei rund 65 Grad Celsius optimal gedeiht. Wie alle Bakterien hat Thermus thermophilus Mechanismen entwickelt, um sich wechselnden Umweltbedingungen anzupassen. Dazu verändert das Bakterium sein Erbgut, indem es mit anderen Thermus-Bakterien DNA austauscht oder DNA-Bruchstücke aus seiner Umgebung aufnimmt. Die können von abgestorbenen Bakterien, aber auch von Pflanzen oder Tieren stammen. Das Bakterium baut die DNA-Stücke in sein eigenes Erbgut ein und behält sie, wenn sie sich als nützlich erweisen.
Mikrobiologen der Goethe-Universität um Prof. Beate Averhoff aus der Abteilung für Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik des Instituts für Molekulare Biowissenschaften haben jetzt zusammen mit Wissenschaftlern um Dr. Vicky Gold vom „Living Systems“-Institut der University of Exeter in Großbritannien die Härchen (so genannte Pili) auf den Oberflächen von Thermus-Bakterien untersucht. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass es sich um zwei verschiedene Typen von Pili handelt, die unterschiedliche Funktionen haben. Auf hochauflösenden elektronenmikroskopischen Bildern aus Großbritannien ließen sich dicke und dünne Pili unterscheiden, und mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden wiesen die Frankfurter Forscher nach, dass die dicken Pili zur DNA-Aufnahme und die dünnen Pili der Bewegung auf Oberflächen dienen.
„Wir wollen herausfinden, wie genau Thermus thermophilus über seine Pili DNA aus der Umgebung aufnimmt, denn der genaue Mechanismus ist nicht bekannt“, erklärt Prof. Beate Averhoff vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Goethe-Universität. „Durch unsere jüngsten Untersuchungen haben wir gelernt, dass Thermus-Bakterien eigene Pili besitzen, mit denen sie sich fortbewegen. Damit dienen die dicken Pili womöglich nur der DNA-Aufnahme, was zeigt, wie wichtig dieser Prozess für die Bakterien ist. In unseren Strukturanalysen haben wir zudem einen Bereich auf den dicken Pili gefunden, an den DNA gut binden könnte.“
Das Zusammenspiel von Elektronenmikroskopie und Molekularbiologie hat die Wissenschaftler auch die Mechanik der Pili besser verstehen lassen. Denn sowohl für Bewegung wie auch für die DNA-Aufnahme müssen die Pili dynamisch sein, also aus- und wieder eingefahren werden können. „Die hochauflösende Struktur der beiden Pili erlaubt uns zum ersten Mal Einblicke nicht nur in den Aufbau der Pili, sondern auch in die Dynamik“, erläutert Averhoff.
Da Pili weit verbreitet sind und auch in pathogenen Bakterien für die Anheftung an den Wirt verantwortlich sind, könnten sich daraus neue Angriffspunkte zur Verhinderung von Infektionsprozessen ergeben.