Springende Gene für die Gentherapie gegen Krebs
Kooperation mit PlasmidFactory geht weiter
Um das „Sleeping Beauty“-System zu optimieren, verlängert nun das MDCell Helmholtz Innovation Lab seine Zusammenarbeit mit PlasmidFactory.
© Christina Anders, MDC
Wer Immunzellen des menschlichen Körpers so verändern will, dass sie zum Beispiel einen Tumor wieder wirksam bekämpfen oder eine Autoimmunerkrankung ausbremsen können, braucht dafür zuverlässige und sichere Werkzeuge. Eines davon ist das am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) entwickelte „Sleeping Beauty“-System. Das MDCell Helmholtz Innovation Lab und die biopharmazeutische Firma PlasmidFactory bereiten dieses System gemeinsam so vor, dass es in Zukunft für die Gentherapie in der Klinik geeignet sein wird. Die beiden Partner haben ihre Zusammenarbeit nun um weitere zwei Jahre verlängert.
„Sleeping Beauty 100x“ basiert auf einem Element im Erbgut von Fischen, das sich vermutlich vor 20 Millionen Jahren als „springendes Gen“ (Transposon) selbst kopieren und immer wieder an neuen Positionen in der Fisch-DNA einbauen konnte. Transposons mischen das Erbgut auf und gelten daher als einer der Motoren der Evolution. Dr. Zsuzsanna Izsvák und ihre Kolleginnen und Kollegen haben das springende Gen aus seinem evolutionären Dornröschenschlaf geweckt, seine Aktivität 100fach erhöht und für die Gentherapie nutzbar gemacht. Das „Sleeping Beauty“- System kann nun Gene ins Erbgut einschleusen. Es sei sicherer, billiger und effizienter als andere Methoden, betont Izsvák.
Die veränderte Gensequenz braucht keinen Virus als „Taxi“ (Vektor) zu seinem Bestimmungsort. Die Nachteile, die Viren in der Gentherapie mit sich bringen, fallen also weg. Vielmehr besteht das System aus zwei Elementen: dem Transposon pT4 – das ist ein ringförmiges DNA-Molekül (Plasmid), in das das erwünschte Gen zwischen zwei typischen Markierungen eingebaut ist – und dem Erbgut für ein Enzym namens „SB100x“, das das erwünschte Gen aus dem Plasmid ausschneidet und zu seinem Bestimmungsort geleitet.
Bewährte Zusammenarbeit
Damit der Einsatz bei menschlichen Zellen noch sicherer wird, verfeinern MDCell und PlasmidFactory das System weiter. So wird das Erbgut für das Enzym „SB100x“ bereits in der Petrischale abgeschrieben und als in vitro transcribed RNA (IVT RNA) zu den Zellen gegeben, die verändert werden sollen. Auch das Transposon „pT4“ ist kein vollständiges Plasmid mehr, wie es oft in Bakterien vorkommt. Vielmehr hat die Plasmid Factory eine Technik entwickelt, bei der sich ein Mini-Ring (Minicircle) bildet. Er besteht – bis auf die nötigen Markierungen – fast nur noch aus dem Gen, das eingefügt werden soll.
„Dass die bakteriellen Anteile der Plasmide wegfallen, ist sehr wichtig – um die Sicherheit und Wirksamkeit des SB100x-Transposonsystems weiter zu verbessern“, sagt Dr. Holger Hoff, der Leiter von MDCell. „Und PlasmidFactory stellt besonders hochqualitative Minicircle her, da sie sehr eng verdrillt sind.“
Beide Partner bringen umfangreiche Expertise mit. PlasmidFactory hat Knowhow beim Design und der Vervielfältigung der „Gen-Taxis“, bei Patentfragen und Fragen der Zulassung. „Wir etablieren derzeit Herstellungsverfahren für Minicircle-DNA in hoher Qualität in unserem Speziallabor in Bielefeld, die für die CAR-T-Zelltherapie-Forschung verwendet werden“ erläutert Dr. Martin Schleef, Geschäftsführer der PlasmidFactory. MDCell wiederum verbindet die Forschung verschiedener Arbeitsgruppen mit Partnern aus der Industrie, entwickelt Prozesse, stellt Räume und Geräte zur Verfügung. Ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen zum Beispiel Immunzellen mithilfe von Sleeping Beauty gentechnisch so verändern, dass sie Kranken wieder helfen können, und das System reif für die Klinik machen. Dafür muss es nicht nur sicher sein, es muss auch massenhaft in gleichbleibender Qualität hergestellt werden können. „Die entsprechenden Protokolle für GMP-Einrichtungen etablieren wir gemeinsam“, sagt Hoff.
Die Polizeistreife des Körpers neu ausrüsten
Eine mögliche Anwendung ist eine Immuntherapie gegen Krebs, die u.a. die Arbeitsgruppe von Professor Wolfgang Uckert erforscht. Dabei werden T-Zellen – die Polizeistreife des Körpers – wieder so ausgerüstet, dass sie Tumoren als fremd entlarven und zerstören können. Eine andere Kooperation mit Dr. Harald Prüß vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin will die T-Zellen so verändern, dass sie bestimmte Antikörper aus dem Verkehr ziehen und so eine gefährliche Autoimmunkrankheit in die Schranken weisen können.
Die Krankheit löst eine Hirnentzündung aus und verläuft immer ähnlich: Zunächst sind die Betroffenen abgeschlagen und haben leichtes Fieber. Dann stellen sich Denkstörungen, unerklärliche Verhaltensänderungen, Angst und Halluzinationen ein – fast wie zu Beginn einer Schizophrenie. Sie werden passiv und verstummen. Schließlich folgen epileptische Anfälle und Blutdruckkrisen. Diese können oft nur Ärztinnen und Ärzte auf einer neurologischen Intensivstation behandeln. Ausgelöst wird die Entzündung durch Antikörper, die NMDA-Andockstellen an der Oberfläche von Nervenzellen blockieren, die diese sonst für die Übertragung von Informationen benutzen. Der Fachbegriff lautet „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“.
Daran ist auch der Eisbär Knut gestorben, hat Harald Prüß im Jahr 2015 gemeinsam mit Kollegen vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin ermittelt. Noch mehr treibt ihn allerdings das Schicksal von menschlichen Patienten an. Sie werden wegen ihrer Symptome oft zunächst in die Psychiatrie eingewiesen, brauchen aber dringend Hilfe gegen ihre Autoimmunkrankheit.
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