Selbstheilungsprozessen auf der Spur

Biochemiker erforschen außergewöhnliche Regenerationsfähigkeit

25.09.2019 - Deutschland

Planarien sind Würmer mit der außergewöhnlichen Eigenschaft, zerstörte oder abgetrennte Teile ihres Körpers wiederherstellen zu können. Schon länger ist bekannt, dass eine besondere Gruppe von Proteinen – sie werden als PIWI-Proteine bezeichnet – für diese Regenerationsfähigkeit unverzichtbar ist. Ein Forscherteam der Universität Bayreuth um den Biochemiker Dr. Claus Kuhn hat jetzt die Wirkungsweise dieser Proteine genauer erforscht. In der Zeitschrift „Genes & Development“ stellen die Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse vor, die das Verständnis von Selbstheilungsprozessen weiter voranbringen können.

Christian Wißler

Iana Kim, Erstautorin der neuen Studie, in einem Labor der Forschungsgruppe "Gene Regulation by Non-coding RNA" an der Universität Bayreuth.

Schutz der Erbinformation

Weltweit untersuchen Forschergruppen die erstaunliche Regenerationsfähigkeit von Planarien. Hierfür ergeben sich aus der Kombination biochemischer Techniken mit den Hochdurchsatz-Techniken der Bioinformatik ganz neue Erfolgsaussichten. Im Mittelpunkt der Studie aus Bayreuth stehen Plattwürmer der Spezies Schmidtea mediterranea. In deren Stammzellen befinden sich die Proteine SMEDWI-2 und SMEDWI-3. Ohne diese Proteine aus der Gruppe der PIWI-Proteine können sich die Würmer nicht regenerieren, sie wären noch nicht einmal lebensfähig. Wie die Bayreuther Forscher herausgefunden haben, binden die beiden Proteine an kleine RNAs, sogenannte piRNAs. Letztere werden dadurch in die Lage versetzt, springende Gene (Transposons) zu erkennen und abzubauen. Springende Gene haben die Gewohnheit, ihren Platz innerhalb des Genoms immer wieder zu wechseln und Mutationen auszulösen. Werden sie durch piRNAs abgebaut und unschädlich gemacht, ist dies ein wichtiger Beitrag zur Stabilität der Erbinformationen, vor allem in Stammzellen. Auf diese Weise wird jetzt verständlich, wie die Stammzellen der Würmer die zur Regeneration von Körperteilen nötige Flexibilität aufrechterhalten, ohne sich dabei selbst zu zerstören.

„Auch beim Menschen haben piRNAs eine solche stabilisierende Wirkung, sie kommen allerdings nur in Keimzellen vor. Bei den Plattwürmern sind sie jedoch in großer Zahl auch in pluripotenten Stammzellen vorhanden, die sich in verschiedenste Zelltypen weiterentwickeln und ausdifferenzieren. Daher sind Plattwürmer als Modellorganismen sehr gut geeignet, um piRNAs auf ihre Wirkungsweise hin zu untersuchen“, sagt Dr. Claus Kuhn.

Eine weitere Funktion von kleinen RNAs: Abbau von Boten-RNAs

Für SMEDWI-3 haben die Bayreuther Forscher noch eine weitere Funktion entdeckt: Einige piRNAs, an welche dieses Protein angedockt hat, steuern anschließend keine springenden Gene an, sondern binden stattdessen mRNAs. Diese auch als „Boten-RNAs“ bezeichneten Moleküle enthalten die Information zur Synthese von Proteinen. In einigen Fällen werden sie von den an SMEDWI-3 gebundenen piRNAs abgebaut, in anderen Fällen werden sie durch SMEDWI-3 nur gebunden und möglicherweise sogar vor einem Abbau geschützt.

„Wir waren sehr überrascht, als wir diese weitere Funktion von SMEDWI-3 gefunden haben, die vom Abbau springender Gene völlig unabhängig ist. Es könnte sein, dass einige der an SMEDWI-3 gebundenen piRNAs deshalb für den Abbau von mRNAs eingesetzt werden, weil die Stammzellen dadurch stabiler im Zustand der Pluripotenz gehalten werden können. Dieser Zustand wäre möglicherweise gefährdet, wenn zuviel Boten-RNA für die Proteinsynthese zur Verfügung steht und genutzt würde. Welchem Zweck dagegen eine Bindung von SMEDWI-3 an piRNAs dient, die nicht zum Abbau von RNA führt, ist noch völlig unklar. An diesem Punkt werden wir künftig weiter forschen“, sagt Iana Kim, Erstautorin der neuen Studie und Doktorandin im Labor von Dr. Claus Kuhn.

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