Augenscan macht Krankheiten frühzeitig sichtbar
Ewald Unger/ Medical University of Vienna
„Ein Laserstrahl trifft aufs Auge. Was zunächst eher nach Verletzungsgefahr klingt, eröffnet in diesem Fall eine Chance auf Heilung. „Wir nutzen das Laserlicht, um umfassende molekulare Informationen über die Netzhaut und damit frühzeitig Hinweise auf Erkrankungen zu erhalten“, erläutert Clara Stiebing vom Leibniz-IPHT. Um herauszufinden, wie viel Laserkraft das Auge verträgt und welchen optischen Weg der Laser darin nimmt, hat die Forscherin Netzhaut-Proben untersucht und dafür einen Aufbau konstruiert, der die Gegebenheiten im menschlichen Auge nachbildet. Ihre Studie veröffentlichten Clara Stiebing und das Forscherteam vom Leibniz-IPHT, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Medizinischen Universität Wien sowie Partnern aus den Niederlanden nun in der Fachzeitschrift „Neurophotonics“.
Wie intensiv der Laser sein darf, haben die Wissenschaftler anhand geltender Sicherheitsvorschriften genau berechnet. Das Ergebnis: ein Laserstrahl, der zwanzigmal schwächer ist als Laser, die die Forscher sonst für ihre spektroskopischen Messungen verwenden. Mithilfe markierungsfreier, molekular empfindlicher Raman-Spektroskopie gelingt es ihnen, einen molekularen Fingerabdruck der Netzhaut zu gewinnen. Der verrät, wie hoch der Gehalt an Lipiden, Proteinen, Carotinoiden und Nukleinsäuren ist. So werden Veränderungen der Netzhaut sichtbar, anhand derer Mediziner Erkrankungen bereits in einem frühen Stadium erkennen können.
Eine besondere Herausforderung für die Forscher bestand darin, dass die Bedingungen im menschlichen Auge für optische Messungen nicht optimal sind. „Dass wir auch mit dem abgeschwächten Laserstrahl dennoch aussagekräftige, belastbare Ergebnisse erzielen, zeigt deutlich, dass wir mit unserer Technologie künftig umfassende molekulare Informationen über die Struktur der Netzhaut erhalten können“, so Clara Stiebing. Die Partner der Medizinischen Universität Wien bauen derzeit ein Gerät, das die Raman-Spektroskopie mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) kombiniert. Mithilfe der OCT lässt sich die Morphologie der Netzhaut sehr schnell darstellen und verdächtige Stellen identifizieren. Diese können dann mittels der Raman-Spektroskopie auf molekularer Ebene charakterisiert werden. „So erhalten wir hochaufgelöste Bilder aus allen Schichten der Netzhaut mitsamt den Informationen über ihre molekulare Zusammensetzung“, erläutert Prof. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT. „Dass wir die bisher in der Ophtamologie eingesetzte OCT nun mit der Raman-Spektroskopie ergänzen können, kann die Genauigkeit der Diagnosen entscheidend verbessern.“
Momentan arbeitet das europäische Forscherteam an der medizinischen Zulassung des Geräts. Sobald diese erfolgt ist, kann es an ersten Patientinnen und Patienten getestet werden. Die würden sich dann vor das Gerät setzen, ihr Auge berührungsfrei abrastern lassen und wenige Minuten später eine verlässliche Diagnose erhalten.
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