Organisationsprinzip des menschlichen Genoms identifiziert
Einem internationalen Forscherteam, an dem neben einer Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Gernot Längst und Dr. Attila Németh vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg auch Wissenschaftler aus München und dem spanischen Valencia beteiligt waren, gelang es nun durch eine bahnbrechende Arbeit, der nicht-kodierenden DNA eine wichtige Funktion innerhalb des DNA-Netzwerks zuzuweisen. Über die Untersuchung des sogenannten Nucleolus, des Kernkörperchens der Zellen, konnten die Forscher einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Organisationsprinzips des menschlichen Genoms leisten.
Der Nucleolus befindet sich innerhalb des Zellkerns (Nucleus). Er lässt sich vom Rest des Zellkerns funktionell abgrenzen, verfügt jedoch über keine eigene Membran. Der Nucleolus ist vor allen Dingen in seiner Rolle als Ribosomen-Fabrik der Zellen bekannt. Jüngere Studien weisen aber darauf hin, dass er darüber hinaus noch andere Funktionen hat. So ist der Nucleolus auch an der Stressregulation, Virusprozessierung oder bei Alterungsprozessen beteiligt.
Trotz seiner dem entsprechend großen Bedeutung für die Vorgänge auf zellulärer Ebene war das Wissen um den Aufbau und die Selbst-Organisation des Nucleolus bislang sehr begrenzt. Das internationale Forscherteam unter der Leitung der Regensburger Biologen konnte eine detaillierte Genomkarte der nucleolären DNA erstellen und somit erstmalig das funktionelle Genom eines Zellkern-Organells identifizieren. Weiterhin wurden die DNA-Elemente charakterisiert, die die dreidimensionale Struktur des Nucleolus organisieren. Die Wissenschaftler nutzten hierfür die neuen Methoden der Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung und kombinierten diese mit DNA-Microarray-Experimenten und hochauflösender dreidimensionaler Mikroskopie. Durch die Kombination der Einzelergebnisse der Experimente stellten sie fest, dass spezifische nicht-kodierende Genomabschnitte (spezielle alpha-Satelliten Sequenzen) für den Zusammenbau dieser funktionellen Einheit des Zellkerns verantwortlich sind.
In diesem Zusammenhang wurden ebenfalls mehrere Tausend Gene und nicht-kodierende DNA-Sequenzen identifiziert. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass etwa vier Prozent des menschlichen Genoms stabil mit dem Nucleolus verbunden sind. Die Arbeiten des Forscherteams zeigten zudem, dass die Struktur des Nucleolus nicht zufällig, sondern auf dessen konkrete Funktionen in der Zelle bzw. im Zellkern ausgerichtet ist. Die nicht-kodierende DNA spiele, so die Forscher, in diesem DNA-Netzwerk eine entscheidende Rolle.
Die Studien konnten so erstmals einen "Schnappschuss" der Architektur des Nucleolus und dessen Funktion in zwei unterschiedlichen menschlichen Zelltypen liefern, der auf ein spezifisches Organisationsprinzip des menschlichen Genoms verweist. Nach Aussage der Forscher sind allerdings weitere Analysen - auch das Einbeziehen weiterer menschlicher Zelltypen - notwendig. So kann zum einen der Aufbau bzw. die Struktur des Nucleolus während Entwicklungsprozessen und in unterschiedlichen Phasen des Zellzykluses vollständig erfasst werden. Zum anderen soll durch die Analyse der Nucleolus-Genomik verschiedener Organismen geklärt werden, ob das identifizierte Organisationsprinzip des menschlichen Genoms allgemein gilt und sogar evolutionär konserviert ist.
Die Ergebnisse des internationalen Forscherteams wurden in "Plos Genetics" veröffentlicht. Prof. Längst ist Leiter der Internationalen Graduiertenschule für Lebenswissenschaften (RIGeL) der Universität Regensburg. Nach einer Anschubfinanzierung durch die Universität wurde das Forschungsprojekt auch durch das Bayerische Genforschungsnetzwerk BayGene gefördert.