Selbstlernende Netzwerke lassen Forscher mehr sehen
Wissenschaftler entwickeln eine Methode, um Grenzen der Mikroskopie zu überwinden
© Martin Weigert, Tobias Boothe und Florian Jug/MPI-CBG, CSBD
Fluoreszenz-Mikroskopie ist für die Grundlagenforschung im Bereich der Biomedizin unverzichtbar geworden. Die Technik kann die Position von fluoreszierenden Zellbausteinen in biologischen Geweben und Organismen sichtbar machen. In lebenden Proben können über viele Stunden hinweg dynamische Prozesse aufgezeichnet werden, so dass die Forscher zum Beispiel untersuchen können, wie Zellen während der Embryonalentwicklung Gewebe und Organe formen.
Die Qualität der Bilder hängt jedoch stark von der Menge des bei der Aufnahme verwendeten Lichts ab. Lichtverhältnisse, die zu qualitativ hochwertigen Bildern führen, verursachen unerwünschte Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen sind als Phototoxizität bekannt und führen zu Veränderungen im Verhalten der Zelle; können für diese sogar tödlich sein. Darüber hinaus reagieren einige Organismen schon auf geringe Lichtmengen mit Muskelzucken, was die gewonnenen Daten ebenfalls unbrauchbar macht. Um diesen "ultimativen Sonnenbrand" der Phototoxizität zu vermeiden, müssen die Forscher die Gesamtmenge des verwendeten Lichts stark reduzieren. Das führt zu minderwertigen Bildern, die schwer zu analysieren sind.
Eine interdisziplinäre Forschergruppe am CSBD und MPI-CBG in Dresden hat nun ein Verfahren entwickelt, um hochwertige Bilder mit bis zu 60 mal weniger Licht zu erzeugen. Der neuartige Ansatz - CARE - ist eine selbstlernende, inhaltssensitive Bildrestaurierungs-Software, die auf künstlichen neuronalen Netzwerken basiert. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass man zwar keinen langen Film mit lauter hochwertigen Bildern aufnehmen kann ohne in die Phototoxizitäts-Falle zu laufen, es aber durchaus möglich ist, Schnappschüsse von Bilderpaaren aufzuzeichnen: je eins mit schlechter Lichtqualität und das andere mit ausreichend Licht, um sehr klare Bilder zu erzeugen. Diese Schnappschuss-Paare werden dann verwendet, um selbstlernenden CARE-Netzwerken beizubringen, die "versteckten" Inhalte in stark verrauschten Bildern sichtbar zu machen, also qualitativ hochwertige Bilder zu rekonstruieren. In ihrer kürzlich in Nature Methods veröffentlichten Studie zeigen die Forscher, dass CARE erfolgreich auf viele verschiedene Mikroskope, Experimente und Modellorganismen angewendet werden kann.
Martin Weigert, Erstautor und Mitglied der Myers Gruppe, sagt: "Ein wichtiger Nutzen unserer Methode ist, dass sie die Beobachtung von Zell- oder Gewebeprozessen unter sehr schwierigen Bedingungen ermöglicht, indem die Qualität der aufgenommenen Bilder deutlich verbessert wird“. Sein ehemaliger Kollege im Myers Team und Co-Autor der Studie, Loïc Royer, der mittlerweile seine eigene Gruppe am Chan Zuckerberg Biohub in San Francisco leitet, fügt hinzu: "Die Darstellung lebender Organismen erfordert oft Kompromisse. Mit CARE müssen Biologen solche drastischen Kompromisse nicht mehr eingehen. Unsere Methode macht bisher unmögliche bildgebende Experimente möglich."
"CARE ist ein Paradebeispiel für die Art von bahnbrechender Technologie, die ein interdisziplinärer Campus, wie unserer hier in Dresden-Johannstadt, hervorbringen kann. Informatiker, Physiker, Biologen und Chemiker des CSBD, des MPI-CBG und anderer DRESDEN-concept Institute haben eng zusammengearbeitet. Jeder hat sein spezielles Wissen eingebracht, um diesen wichtigen Fortschritt zu erzielen!", sagt Florian Jug, der an vielen Aspekten der Arbeit beteiligt war. Er schließt: "CARE öffnet Fenster, durch die wir die Prozesse, die biologisches Leben steuern, besser beobachten können. Wir sind gespannt, was kreative Köpfe auf der ganzen Welt nun mithilfe von CARE erforschen werden."
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Diese Produkte könnten Sie interessieren
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten
Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
Die Fluoreszenzmikroskopie hat die Life Sciences, Biotechnologie und Pharmazie revolutioniert. Mit ihrer Fähigkeit, spezifische Moleküle und Strukturen in Zellen und Geweben durch fluoreszierende Marker sichtbar zu machen, bietet sie einzigartige Einblicke auf molekularer und zellulärer Ebene. Durch ihre hohe Sensitivität und Auflösung erleichtert die Fluoreszenzmikroskopie das Verständnis komplexer biologischer Prozesse und treibt Innovationen in Therapie und Diagnostik voran.
Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
Die Fluoreszenzmikroskopie hat die Life Sciences, Biotechnologie und Pharmazie revolutioniert. Mit ihrer Fähigkeit, spezifische Moleküle und Strukturen in Zellen und Geweben durch fluoreszierende Marker sichtbar zu machen, bietet sie einzigartige Einblicke auf molekularer und zellulärer Ebene. Durch ihre hohe Sensitivität und Auflösung erleichtert die Fluoreszenzmikroskopie das Verständnis komplexer biologischer Prozesse und treibt Innovationen in Therapie und Diagnostik voran.